Treffer: Als Europa geteilt wurde

Der Februar, der Februar – wietrostlos dieser Monat! Und die Herren kommen auch nicht zur Kur. Immerhin, Zelebritäten wie Tolstoi, Tschechow, Tschaikowsky haben hier verweilt. Nun, in einer andern Epoche, treffen drei Mächtige in dem Bade-, Urlaubs- und Kurort zusammen: ein Gastgeber und zwei Gäste (sie kommen allerdings nicht ganz allein, und sie kommen, wie gesagt, nicht zur Kur).

„Selbst nach einer zehnjährigen Suche“, so der eine der beiden Gäste in Erinnerung an den Besuch, „hätten wir keinen übleren Platz finden können.“ Nurmit einem angemessenen Whisky-Vorrat sei es dort auszuhalten. Eine hübsche Stadt am Mittelmeer wäre den beidenGästen als Treffpunkt gewiss lieber gewesen; aber ihr Gastgeber konnte seine Hafenstadt (sie liegt auf einer Halbinsel, die jüngst, 2014, wieder sehr im Mittelpunkt steht) als Ort der Begegnung durchsetzen, zumal er sich, angeblich auf ärztlichen Rat hin, geweigert hatte, sein Heimatland zu verlassen.

Der andere der beiden Gäste sieht alt und mager und abgehärmt aus; er sitztda, im Rollstuhl, und blickt offenen Mundes vor sich hin, als ob er gar nichts in sich aufnehme. Über seinen Gastgeber, er nennt ihn vertraulich „Uncle Joe“, sagter: „Ich mag ihn, und ich glaube, er mag mich auch.“

Worüber wird gesprochen in diesen Februartagen in der Stadt auf der Halbinsel? Die drei Männer sind dabei, dem Herrenmenschentum mitten in Europa ein Ende zu setzen: Gesprochen wirdüber einen Krieg, dessen Ende abzusehenist, und vor allem über die Folgen dieses Krieges, des größten in der Geschichte der Menschheit. Es geht um nicht weniger als um die Teilung Europas in zwei Machtsphären. Der Gastgeber sagt: „Jeder führt sein eigenes System ein – soweit seine Armee eben vordringt. Es kann nicht anders sein.“

Die Konferenz dauert acht Tage. Für einen der beiden Gäste, nämlich den alten Whisky-Beißer, bringt sie die Stunde der Wahrheit: dass sein Empire nur noch ein Schattenreich ist. Andere werden die Erde erben, vielleicht gemeinsam, vielleicht im bittersten Konflikt. Zum Schluss gibt es in einem ehemaligen Billardzimmer des Palais Liwadia einen Abschiedslunch. Dann posieren die drei Männer für das offizielle Konferenzbild. ■


Wer traf wen? Wo? Über welche Themen
wurde verhandelt?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2014)

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