Treffer: Kleiner Mann, großes Nein

Zu den üblichen Obliegenheiten von Gastronomen gehört die Versorgung der Gäste mit Speisen und Getränken, oft wollen sie allerdings auch ausgleichende Maßnahmen setzen und Versöhnung stiften. Das kann in Einzelfällen durchaus gelingen, doch manchmal, wie eben hier, auch nicht. Ein gewisser Albert Peltzer betrieb Anfang der Dreißigerjahre am Pariser Platz in Berlin ein angesagtes elegantes Lokal, in dem Jugendliche mit dem Geldder Eltern um sich warfen, Künstler vorbeischauten und sich auch einzelne Nazibonzen einfanden.

Wie jener Chefideologe, der als Balte nicht einmal gut Deutsch sprach, aber die braune Kulturpolitik bestimmen wollte. Gern wetterte der Mythomane gegen die „jüdische Bordellliteratur“, schon im Februar 1933, einen Monat nach Hitlers Machtergreifung, war die „Verordnungzum Schutz von Volk und Staat“ erlassen und so die Meinungs- und Pressefreiheit aufgehoben worden. Das bedeutete auch Auftrittsverbot für Hans B., den wir unter anderem Namen kennen.

Der hatte da schon mehr als 30 Berufe hinter sich gebracht: Matrose, Kaufmannslehrling, Schaufensterdekorateur, Privatbibliothekar bei Adeligen, Kurzzeittrafikant, Archivar, um nur einige seiner Professionen zu nennen. Bekannt ist der 1883 in Sachsen Geborene aber als Schrift-und Sprachsteller, Kabarettist und Maler geworden und beliebt bei Promis wie AstaNielsen, Hans Albers und Max Schmeling. Ein wirklicher Adonis war er zwar nicht, doch trotz kleiner Gestalt und einer markanten Geierschnabelnase sehr erfolgreich bei den Frauen. Außerdem recht trinkfreudig.

Vielleicht auch deswegen wollte Wirt Peltzer in der Causa Auftrittsverbot vermitteln. Er hatte bei dem im Hinterzimmer tafelnden braunen Mythomanen für Hans B. ein gutes Wort eingelegt, derChefideologe zeigte sich nach einiger Zeit zu einem Gespräch bereit. Nun musste nur noch der an sich unpolitische Hans B. zur Audienz geschubst werden. Der ließ sich zwar breitschlagen, betrat den Raum, der Bonze erhob sich von seinem Stuhl, der Dichter sah ihn an, sagte „Nein!“, drehte sich um und machte auf halbem Weg kehrt. Wie ein Bumerang. Das Jahr, das er noch hatte, lebte er in finanzieller Notlage, aber er hatte nicht seine Würde verloren. ■


Wer traf wen? Karriere von Hans B.?
Das Ende des Chefideologen?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2015)

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