An der digitalen Schraube drehen

Digitale Spiele sind schnelllebig und oft von unterschiedlichen Computersystemen abhängig. Das macht Games, die älter als 20 Jahre sind, heute in vielen Fällen unspielbar. Doch seit einiger Zeit werden die Klassiker neu aufbereitet.

Haben Sie schon einmal probiert, ein altes Spiel für den Commodore 64 oder eines für PC aus den frühen 1990er-Jahren wieder zum Laufen zu bringen? Wenn man im Keller die Geräte von damals noch stehen hat, kann es sein, dass die Wiederbelebung dann und wann noch funktioniert. Doch in den meisten Fällen folgt dem Versuch, das frühere Lieblingsspiel wieder zu starten, die Ernüchterung: Wahlweise sind die alten Datenträger nicht mehr lesbar, ist der Computer kaputt, oder man hat keine Ahnung, wie um alles in der Welt man diese Spiele jemals in Gang gebracht hat. Ersatzteile gibt es in den meisten Fällen keine, außer man kennt entsprechende Fachhändler. Die stetige Weiterentwicklung von Hard- und Software sowie unterschiedliche Betriebssysteme haben dazu geführt, dass alte Spiele auf einem modernen Rechner oftmals nicht mehr oder nur mit viel Mühe zum Laufen gebracht werden können.

Eine gangbare Lösung für das Spielen alter Spiele auf zeitgenössischen Systemen liegt in der Emulation – „Spiel und mehr“ hat vor ein paar Wochen bereits über die Emulatorenprogramme berichtet, die alte Computer und Computerspiele 1:1 auf neuen Geräten simulieren. Doch oft ist das gar nicht notwendig – manchmal genügt es, wenn an ein paar digitalen Schrauben gedreht wird, um die Spiele aus den 1980er- und 1990er-Jahren wieder kompatibel mit unseren gegenwärtigen Rechnern zu machen. Eine Verkaufsplattform, die sich schwerpunktmäßig dem Entstauben und Neuaufbereiten klassischer PC-Spiele widmet, ist das polnische Unternehmen Good Old Games. Auf gog.com werden in die Jahre gekommene Titel um geringe Beträge neu angeboten. Der zu leistende Obolus bringt die Garantie mit sich, dass die Spiele problemlos start- und spielbar sind – übrigens nicht immer nur für Windows-Systeme, sondern immer öfter auch für Mac und Linux. Natürlich ist es nicht einfach, den gesamten Backkatalog der PC-Spielegeschichte einfach so zugänglich zu machen, weil die unterschiedlichen Rechteinhaber nicht immer damit einverstanden sind. Doch das lukrative Geschäftsmodell wird nach und nach erkannt. Denn es ist für die Konzerne – analog zum Musikkonsum – besser, wenn die User um geringe Beträge Lizenzen kaufen, anstatt sich die alten Spiele für lau aus dem Netz zu ziehen. Das war über die Jahre hinweg gängige Praxis, und nicht nur aus dem Unwillen zu bezahlen: Die Spiele waren auf dem Markt schlicht nicht mehr verfügbar.

Jetzt reiht sich Alt neben Neu. Ein gutes Beispiel dafür sind die legendären Adventure-Games von Lucas Arts, dem ehemaligen Spielentwicklerstudio von George Lucas. In den späten 1980ern und bis Mitte der 1990er sind dort Klassiker wie „The Secret of Monkey Island“ oder „Zak McKracken And the Alien Mindbenders“ entstanden. Anstatt dass man diese Spiele – möglicherweise infiziert von Viren – illegal herunterlädt und mit einem Emulator zusammenstöpseln muss, bezahlt man nun zwischen fünf und zehn Euro und kann anschließend über das Spiel frei verfügen. So ist es etwa möglich, einen Titel von einem Computer auf den anderen zu kopieren, auch über Systeme hinweg. Spiele für Mac und Linux waren bis vor wenigen Jahren noch äußerst rar gesät.

Manchmal muss man gar nicht 25 Jahre zurück in die Vergangenheit gehen, um Probleme mit dem Wiederspielen lieb gewonnener Games zu bekommen. Schon innerhalb von zehn Jahren kann die Technik sich dahingehend ändern, dass etwa ein Spiel von 2007 auf einem neuen Computer in einer ärgerlichen Weise bockt. Das geht von Anzeigefehlern über Abstürze bis hin zur kompletten Verweigerung des Computers, das Spiel überhaupt zu starten. Auf Good Old Games gibt es nun eine Initiative gegen dieses Problem. Dabei reicht man die (erworbene) Seriennummer einer Spiellizenz von damals ein und kann sich im Gegenzug eine aktualisierte, kompatible Version des Spiels herunterladen und loslegen.

In vielen Fällen sehen diese älteren Titel heute visuell besser als in der Vergangenheit aus. Möglich ist das derzeit beispielsweise mit der „S.T.A.L.K.E.R.“-Serie, die in einer düsteren, postatomaren Welt spielt und passenderweise von einem ukrainischen Entwicklerteam gestaltet worden ist. Der Vorstoß von Good Old Games ist freilich nicht ausschließlich der Kundenfreundlichkeit geschuldet. Es ist eine Reaktion auf das Quasimonopol der digitalen Verkaufsplattform Steam, auf der bereits seit einigen Jahren die meisten aller Computerspiele (digital) verkauft werden.

Übergreifender Spielekanon

Der Unterschied zu Good Old Games: Steam lässt kein freies Kopieren von gekauften Lizenzen innerhalb eines privaten Haushalts zu, das Spielen funktioniert in der Regel nur dann, wenn man bei der Plattform eingeloggt ist. Das stärkt natürlich die Bindung zur Plattform und lässt nach einer Weile das Gefühl aufkommen, dass es keine Alternativen gibt. Mit dem Anbieten und Neuaufbereiten vieler alter Computerspiele hat Good Old Games aber ein Alleinstellungsmerkmal und eine gute Chance, damit einiges an Boden und Aufmerksamkeit zurückzugewinnen. Es folgt ebenso dem Trend, dass klassische Games nicht länger nur als retro wahrgenommen werden, sondern sich in einen übergreifenden Kanon der digitalen Spielkultur einordnen.

Das Minimieren technischer Hürden beim Rezipieren von Computerspielen ist ein wichtiger Schritt, um sowohl Schnelllebigkeit als auch Nostalgie den Kampf anzusagen. Lange Zeit war es beinahe ein ungeschriebenes Gesetz, dass immer jenes Spiel das beste war, das noch nicht erschienen ist und über das man uneingeschränkt jubelnd spekulieren konnte. War ein Titel dann endlich auf dem Markt, blieb nicht viel Zeit, sich damit zu beschäftigen, weil schon die nächsten Produkte kurz vor ihrer Veröffentlichung standen und den neu erschienenen Spielen die Show stahlen.

Als um die Jahrtausendwende alte Spiele langsam wieder populär wurden, sind diese im Zuge des Retro-Gaming-Trends über lange Zeit größtenteils mit einem verklärten, nostalgischen Blick betrachtet worden. Der bessere Zugang zu sowohl zeitgenössischen als auch klassischen Titeln führt dazu, dass die Beschäftigung mit beiden fließend ineinanderübergeht. Das ermöglicht einen breiteren, kritischen, zeitübergreifenden Umgang mit Computerspielen – ohne die Sorge haben zu müssen, dass das, was man heute kauft, in ein paar Jahren schon wieder unbrauchbar geworden ist. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2015)

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