Treffer: Stammeln auf dem Schiff

Das japanische Frachtschiff Karoa im südchinesischen Meer Mitte der 1930er-Jahre. An Bord zwei europäische Filmemacher, die sich von ihren Erfolgen erholen. Demeinen verhilft die Anerkennung, die er für seine ersten beiden Filme erhalten hat, zu einer finanziellen Unterstützung der Zeitung „Paris-Soir“ für eine Reise, die der Route von Phileas Fogg aus Jules Vernes Roman „In 80 Tagen um die Welt“ folgen soll. Er bietet der Zeitung Reiseessays an,versteht er sich ja zuallererst als Schriftsteller, auch wenn er als Universalkünstler in die Chroniken einging.

Der andere Passagier war quasi auf Hochzeitsreise mit der Hauptdarstellerin ebenjenes Filmes, den er Anfang 1936 abgedreht hatte. Obwohl die Tonfilmära längst eingeläutet war, produzierte der gebürtige Londoner immer noch Stummfilme, weil er fürchtete, die von ihm kreierte Figur könnte an Beliebtheit verlieren, wenn sie in einer bestimmten Stimme sprechen würde. Der Titel des vor der Reise erfolgreich angelaufenen Filmes stand im Widerspruch zu dieser altmodischen Art des Filmemachens.

Der Franzose war als Prominentenjäger bekannt. Als er auf der Passagierliste den Namen des Briten entdeckt, hüpft er vor Freude. Sofort beordert er einen Stewart, den Kollegen zu einem Aperitif vor dem Abendessen einzuladen. Der Brite traut der Sache nicht. Er erkundigt sich, ob der Franzose tatsächlich an Bord ist. Als man ihm das bestätigt, steht er mit seiner Frau pünktlich zur vereinbarten Zeit vor der Kabinentür des Kollegen. Was folgte, las sich in „Paris-Soir“ dann so: „Die Reinheit, die Wucht, die Frische unseres außergewöhnlichen Rendezvous verdankten wir ausschließlich unseren Horoskopen. Zwei Poeten folgen der geraden Linie des Schicksals.“

Ganz so gerade war die Linie nach Auskunft des Engländers dann wiedernicht, denn die gesamte Kommunikation erfolgte mittels Übersetzer. „Miiister... er sagen... sie Dichter... von die Sonnenschein... er Dichter von die... Nacht.“ Vielleicht erstreckte sich das Treffen deshalb bis in die Morgenstunden. Dann hatte der Brite aber genug. Die Verabredung zum Mittagessen ließ er platzen und ging dem Franzosen künftig, so gut es ging, aus dem Weg. Der aber beteuerte seinen Lesern, dass die Begegnung „das köstlichste Wunder dieser Reise“ gewesen war. ■


Wer traf wen? Der Titel des Films, den
der Engländer 1936 fertiggestellt hat?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2015)

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