Treffer: Im Kabinett der ungelegten Eier

Es war im Herbst 1936, als der Ire nach Deutschland aufbrach. Ins Tagebuch notierte er: „I hope to be away a long, long time.“

Er war frustriert von seiner schriftstellerischen Erfolglosigkeit und suchte deshalb neue Impulse von jener Kunst, die die Nazis „entartet“ nannten. Über Hamburg, Berlin und Dresden führte ihn die mehrmonatige Reise zuletzt nach München.

Dort traf er einen Schauspieler wieder, mit dem er sich in Berlin – in derselben Pension wohnend – angefreundet hatte. Der Mime erzählte ihm von einem Komiker, den er unbedingt sehen müsse. Vielleicht hatte der Darsteller ein Gespür dafür, dass der später berühmte Dramatiker und der bekannte Humorist bei aller Fremdheit ihrer Wesen durchaus Gemeinsamkeiten hatten: das Abgründige, Doppelbödige, Vertrackte und vielleicht Anarchische. Als Hindernis für das Verständnis hätte sich jedoch, obwohl der Ire ganz gut Deutsch sprach, die dialektale Färbung des Kabarettisten erweisen können. Doch der Schauspieler vertraute darauf, dass das Sprachgefühl des Dichters die Wortspielereien über die Sprachgrenzen hinweg erkennen werde.

Also machten sich die Freunde eines Abends im März 1937 auf nach Schwabing. Gegeben wurde ein Schwank, der bereits seit 1925 lief und es auf insgesamt 296 Aufführung brachte. Vielleicht erfasste der Ire nicht sämtliche Nuancen der kabarettistischen Kunst, aber er bemerkte doch den Sprachwitz. Weiters faszinierte ihn die Absurdität der Figur, die der Komiker verkörperte. Sie soll sich in den Hauptfiguren seines bekanntesten Stück wiedergefunden haben. Nach der Vorstellung bat er um eine Begegnung.

Als hätte es der Komiker erfunden, stand ihm der Dichter dann am 1. April gegenüber. Und zwar vor seinem mit viel Geld und Mühe geschaffenen Kuriositätenkabinett. In diesem „Grusel- und Lachkeller“ hatte der Humorist viel Skurriles zusammengetragen. Zu entdecken waren dort etwa der Kamm der Loreley, das Nest voller ungelegter Eier oder ein Glas mit Berliner Luft. Begrüßt haben soll der Hausherr den Gast angeblich mit einem „Winterzahnstocher“. „Really crazy“ lautete denn auch der Eintrag im Tagebuch des Dichters. Wobei sich Kenner der beiden einig sind, dass das bewundernd, nicht abwertend gemeint war. ■


Wer traf wen? Wie hieß die Schwabinger
Bühne des Komikers? Wie heißt das
Hauptwerk des Iren?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2015)

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