Treffer: Nähmamsell mit Kazabaika

Schon als 15-jähriges Mädchen schwärmte Angelica Aurora für den Abkömmling einer angesehenen Familie aus dem höheren Beamtenadel. Sie hatte den elf Jahre Älteren auf dem Grazer Schlossberg mit seiner kolportierten Braut gesichtet, er kam ihr „so keusch und rein wie ein Mädchen“ vor. Sein 1870 erschienenes skandalträchtiges Werk hatte ihn zu einer bekannten Persönlichkeit gemacht – die polnische Cousine des Dichters hingegen machte keinen besonders eleganten Eindruck auf Angelica, sie erträumte sich an deren statt ein gemeinsames Leben mit dem geheimnisumwitterten Dichter.

Wohl wissend, dass für sie als „Nähmamsell“ die Chancen denkbar schlecht standen. In bitterster Armut lebte sie mit ihrer Mutter in einem von Schimmelpilzen befallenen Zimmer in einem übel beleumundeten Grazer Viertel, „da, wo Armut mit Laster und Verbrechen Tür an Tür wohnt“, und verdiente sich durch Handschuhenähen den nötigsten Unterhalt. Zum Ausgleich verschlang sie Literatur aller Art, was sie irgendwann auf die Idee brachte, mit dem schönen Ritter in Briefkontakt zu treten.

Er biss an, denn schon in ihrem ersten Brief schien er in ihr jenes Frauenideal zu erkennen, nach dem er sich zeitlebens gesehnt hatte. Es folgte ein über mehrere Monate dauernder Briefwechsel, bis sie endlich die Einladung in seine Wohnung annahm. Da sie sich ihm als Frau und nicht als Mädchen vorgestellt hatte, vertraute er ihr Intimitäten an, die ihr „unbeschreiblich peinlich“ waren. Diese Peinlichkeiten hinderten sie aber nicht, ihn weiter zu besuchen – mit der Zeit fand sie auch Gefallen an seinen Vorlieben. Wenn sie bei ihm war, trug sie seine Kazabaika – eine pelzgefütterte Hausjacke –, am Anfang wohl über ihrer Kleidung, später ohne etwas darunter: Sie schlüpfte in die Rolle einer seiner berühmten Romanfiguren – und übernahm sogar deren Namen. Die beiden heirateten 1873 und trennten sich 1886 wieder.

Nach 1909 verwischen sich ihre Spuren in Frankreich, während der Gesuchte die Jahrhundertwende nicht mehr erlebte. Eine US-amerikanische experimentelle Band setzte Angelica rund 100 Jahre später ein musikalisches Denkmal, das als eine der Hymnen des Punk in die Musikgeschichte eingehen sollte. ■


Wer traf wen? Wie heißt das Werk des
Gesuchten? Wie hieß die Band, wer waren
ihre Mitglieder, Titel des Songs?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2015)

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