Treffer: Seht meine Werke, erbebt!

Soll er sich einreihen in die Zahl begeisterter Besucher? London istaußer Rand und Band, das ist auch dem Dichter nicht entgangen.

Ein König ist angereist, eine unglaublich imposante und spannende Figur: Hineingeboren in eine mächtige Dynastie an Herrschern, hat er früh an seinem Nachruhm gebastelt. Tempelanlagen und Denkmälersollten dereinst von seinem Ruhm erzählen: Mehr als 60 Jahre lang war er an der Macht, berüchtigt für seine Feldzüge, geschätzt wegen des Reichtums, den er seinem Land bescherte, bekannt für seine fast hundert Kinder. Selbst jene Schlachten, die er verloren hatte – allen voran die bei Kadesch –, wurden propagandistisch schöngefärbt, um ihn als strahlenden Regenten zu preisen.

Das könnte imponieren – und tut es, im umfassenden Sinn. Der König ist längstals gottähnliche Lichtgestalt in die Geschichte eingegangen. Das weiß auch jener englische Dichter, der royale Selbstinszenierungen sehr kritisch beobachtet. Er selbst holt Themen in seine Lyrik, die den romantischen Impetus vieler seiner Kollegen stören. So fordert er Religionsfreiheit für die irischen Katholiken und vertieft sich in die politische Entwicklung des frühindustriellen England: oft aus der Distanz des Beobachters, der häufig in Italien lebt und seine Heimat von dort aus observiert.

Er ist regelmäßig in England. Die Kunde von der Ankunft des Gottkönigs in London lässt ihn nicht kalt. Die Menschen sind aufgeregt angesichts seinermonumentalen Größe und des Blickes, in denen sich sein hochtrabendes, eitles Gehabe spiegelt. Auch der Dichter bleibt nicht unberührt. Doch zugleich schaut er hinter den Vorhang der Pose. Die Begegnung mit diesem Herrscher inspiriert ihn zu einem seiner berühmtesten Gedichte: „,Mein Name ist Ozymandias‘“, liest man darin, „,aller Kön'ge König: – / Seht meine Werke, Mächt'ge, und erbebt!‘ / Nichts weiter blieb. Ein Bild von düstrem Grame, /Dehnt um die Trümmer endlos, kahl, eintönig / Die Wüste sich, die den Koloss begräbt.“ Was sind Glanz und Ehre? Nichtigkeiten angesichts des Todes und der Vergänglichkeit.

Und der König, der aus Theben angereist ist und in London im Exil ist, sitzt da und schweigt. Versteinert und im Nachruhm erstarrt. ■


Wer traf wen? Welcher Tempel ist der berühmteste, den der Herrscher errichten ließ? Bekannte Kollegen des Lyrikers?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2015)

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