Treffer: Der Schlagfluss der Königin

Er galt ihr als der Inbegriff eines Opportunisten, Militaristen und Machos. Sie war für ihn ein überspanntes Frauenzimmer. Dass sie einander trotzdem mehrmals begegneten, hat mit ihrer Herkunft zu tun. Er entstammte dem britischen Hochadel, sie gehörte zur Londoner Upperclass. Damit erfüllten sowohl der Politiker als auch die Schriftstellerin die Voraussetzung, um in jenen Salon eingeladen zu werden, der zwei Jahrzehnte lang die intellektuelle Elite des Empires versammelte.

Betrieben wurde der Debattierklub von einer exzentrischen Lady, die – obwohl verheiratet – mit einigen ihrer Gäste Affären hatte. Sie wurde damit Prototyp für den libertären Umgang, den man in diesem Salon pflegte, und außerdem zur Hauptfigur eines Romans der Autorin. Der Politiker nutzte die Zusammenkünfte mehr als Probebühne für seine Parlamentsreden und testete Pointen auf ihre Treffsicherheit, im Sinne seines Credos: „Wenn zwei Personen derselben Meinung sind, ist eine davon überflüssig.“

Der Schriftstellerin boten die Zusammenkünfte Ablenkung von den Depressionen und Rohmaterial für ihr Werk. Vor allem ihr 1928 erschienener Roman enthält etliche Szenen, die sie in dem Salon erlebt hatte. Speziell auf ihn gemünzt notierte sie darin süffisant: Wer als Politiker Karriere machen wolle, der rede in den betreffenden Kreisen am besten „über denSchlagfluss der Königin von Spanien oder das Decken einer Hündin“.

Noch deutlicher tauschten die beiden in ihren jeweiligen Memoiren Nettigkeiten aus. Sie wusste zu berichten, dass er einmal auf dem Weg zum Buckingham Palace in vollem Ornat vorbeikam, „sehr rosig, ganz goldene Spitzen und Orden“. An ihr Lieblingsthema, die Frauenemanzipation, sollten die Leser bei seiner spitzen Bemerkung denken, dass er die Treffen im Hause der Lady deshalb genossen habe, weil man dort weniger Cambridge- oder Oxford-Absolventen als sonst angetroffen hätte, die nach ihren homoerotischen Erfahrungen während des Studiums karrierebedingt nun doch nach einer passenden Ehefrau Ausschau hielten.

Dass er (statt ihr) später den Nobelpreis für Literatur bekam, musste sie zum Glück nicht mehr erleben. Dass sie auf dem Kontinent dann zur Ikone des Feminismus wurde, blieb wiederum ihm erspart zu erleben. ■


Wer traf wen? Wie heißt der 1928
erschienene Roman?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.