Treffer: Was hat er dain der Tasche?

Small is beautiful, aber auch Großes hat seine Reize. Die beiden Herren trafen einander zum ersten Mal, und es sollte bei dieser einmaligen Begegnung bleiben. Die beiden waren auch grundverschieden, was etwa Herkunft, weltanschauliche Ausrichtung, Alter und Statur betraf.

Der eine war zur Zeit der Begegnung fast noch im Jünglingsalter. Einem Bericht zufolge soll er von dunklem, „bräunlichem“ Teint gewesen sein. Er stammte aus kinderreicher Familie, war der jüngsteSohn, doch als solcher keineswegs verhätschelt, sondern von klein auf in der väterlichen Landwirtschaft tätig. Alles in allem, mit seiner alten Hirtentasche und seinem Krummstab: ein argloser Charakter, wie er im Buche steht.

Vom anderen der beiden Männer wissen wir, dass er weniger durch Bescheidenheit glänzte, er neigte zum Hohn. Er war Berufssoldat, dazu ein Waffennarr. „Gebt mir einen, und lasst uns miteinander streiten“ – derlei Sprüche führte er im Munde. Freilich glaubte er, gute Gründe für seine Prahlereien zu haben, war doch der ganze Mann geradezu hünenhaft angelegt, zumindest vom großen Maul abwärts (wie es um seine geistige Größe bestellt war, darüber ist nichts überliefert).

Es kam die Stunde, da ausgerechnet der schmächtige Landwirtssohn und der Berufssoldat aufeinandertrafen. Kriegspolitik war im Spiel. „Bin ich denn einHund, dass du da mit Stecken zu mirkommst?“, so die ersten Worte des Älteren in Anspielung auf den Stab des Jüngeren; der Ausspruch ist verbürgt. Der Jüngere ließ sich nicht beeindrucken. Er eilte auf den Hünen zu. Dann tat er einfach seine Hand in die Tasche, nahm einen der fünf glatten Steine daraus und schoss den Stein mit seiner Schleuder.

Das Ding traf den Widersacher präzise an dessen schwächster Stelle, an der Stirn. Der Große, bis an die Zähne bewaffnet, fiel auf sein Gesicht. Damit hatte er nicht gerechnet. Er fiel recht schwer, das Gewicht seines Panzers soll 5000 Lot Erz betragen haben. Und da der Kleine keine Klinge zur Hand hatte, nahm er das Schwert des Gefallenen, zog's aus der Scheide und hieb ihm den Kopf ab.

Der Sieger wurde später zu einer Symbolgestalt politischer Freiheit und Namenspatron eines Sterns, sein Sieg auch als Präfiguration des Triumphes Christi über den Satan gesehen. ■


Wer traf wen? Von welchem Stern ist
die Rede?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2015)

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