Treffer: So ruhen sie nebeneinander

Besser, man vermeidet jedes Aufsehen. Der Gastgeber, dessen Besitzungen die Jacht anläuft, ist nicht eben das, was man ein tadelloses, vorzeigbares Mitglied der weitverzweigten Familie nennt.

Schon als junger Mann ist er dem strengen Protokoll seiner Herkunft entflohen, um sich ganz seiner universellen Forschungstätigkeit hinzugeben. Inzwischen ist er ein dicklich gewordener Adeliger in zerschlissener Uniform, von dem es gerüchteweise heißt, er lebe auf seiner Insel wie ein Wilder: in einer höchstunschicklichen Verbindung mit der Tochter eines Tischlers. Vielleicht noch schlimmer: in einer skandalösen Beziehung mit seinem Sekretär.

Ob das nun wahr ist oder nicht: Jedenfalls ist er kein standesgemäßer Umgang für jene Dame, die sich ihm in Sachen Träume verwandt fühlt. Entsprechend gerne nimmt sie seine Einladung an, ihn auf einer ihrer Reisen zu besuchen. Natürlich, ihren Ehemann muss sie über diesen Ausflug informieren. Er stimmt zähneknirschend zu und bittet sie, sich möglichst unauffällig und inkognito zu bewegen.

Und so legt ihr Boot an einem sonnigen Jännertag in einer versteckten Bucht an. Dort steht ein Esel bereit, um denGast auf die Terrasse jenes Anwesens zu bringen, das der in der Toskana geborene Erzherzog seiner volkskundlichen Sammlung alter Häuser einverleibt hat. Der reich gedeckte Tisch biegt sich unter den einheimischen Köstlichkeiten: Schweinsbraten in Orangensauce, Schmalzgebäck und Malvasier. Nicht eben jene Kost, die seine schlanke Verwandte bevorzugt. Sie fügt sich und folgt dem unkonventionellen Hausherrn auf unwegsamen Pfaden durch die umliegenden Hügel und Berge. Dabei machen die zwei auch halt in jenem Landgut, in dem er seine Geliebte untergebracht hat. Die Frauen unterhalten sich wie enge Vertraute.

Ein paar Tage später legt das Boot ab. Die Begegnung hat die blaublütigen Freigeister weiter miteinander verbunden: eines jener Freundschaftspaare, das fortan wenig trennt, auch wenn sie sich selten sehen. Selbst ihre Gräber liegen nahe beisammen, unter jener Kirchen der Residenzhauptstadt, die der Familie als Mausoleum dient. Weit weg jedenfalls von jener Mittelmeerinsel, auf der sie einander so unbeschwert zugeneigt waren. ■


Wer traf wen? Auf welcher Insel fand die Begegnung statt? Wo ist das Freundespaar begraben?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2016)

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