Treffer: Die Kurven und die Kanten

Unmittelbar nach der Begegnung schwärmte sie: „Das ist so ziemlich der bedeutendste Tag in der Geschichte der Filmindustrie.“ Lange hielt diese Euphorie aber nicht an; schon bald folgte die Ernüchterung: „Er war fett und hässlich und hatte eine Warze im Gesicht, und er hat rumgemault“, berichtete sie ihrer Hausangestellten.

Der ausländische Staatsmann hatte sich für seine Amerikareise ein Treffen mit ihr ausbedungen. Für ihn – und wie er dachte, auch für seine Landsleute – repräsentierten zwei Dinge die USA: Coca-Cola und ebenjene Schauspielerin. In Washington wusste man, dass er sehr ungehalten sein konnte, wenn seinen Wünschen nicht entsprochen wurde. Man beauftragte also den Präsidenten von Twentieth Century Fox, den Star auf das Treffen vorzubereiten. Zuerst reagierte sie ablehnend, weil ihr der Name des Staatsgasts nichts sagte. Erst als man an ihre Staatsräson appelliert, lässt sie sich überreden, an dem Empfang teilzunehmen.

Seitens des Filmstudios lässt man sie wissen, dass zwei Dinge von ihr erwartet werden: ein enges Kleid und ausnahmsweise pünktlich zu sein. Ging es in der damals angespannten weltpolitischen Situation doch darum, den mächtigen Gast gewogen zu stimmen. Zur Vorbereitung auf die Begegnung beschäftigt sie deshalb eine Masseurin, eine Visagistin, einen Friseur, bevor sie sich in das tief dekolletierte Spitzenkleid zwängt.

„An dem Mann ist derzeit kein Vorbeikommen“, liest man in den „New York Daily News“, er „schmunzelt, lacht, blickt finster drein, droht mit dem Finger oder schüttelt seine eiserne Faust“. Dass er eindrucksvoll auf den Tisch hauen kann, bewies er ein Jahr danach in New York. Jetzt trifft er nach fünf Tagen in Los Angeles ein. Die 400 zur Verfügung stehenden Plätze sind restlos ausgebucht. Alle Hollywood-Größen, von Judy Garland über Dean Martin bis Elizabeth Taylor, sind da. Er betritt den Saal sehr grantig, weil man seinen Wunsch, Disneyland zu besuchen, aus Sicherheitsbedenken ablehnt hat.

Zur Aufheiterung geleitet man ihn ins Studio, zu Dreharbeiten bei einer Tanzszene. Auf dem Weg dorthin erkennt er sie, stürzt auf sie zu: „Sie sind eine sehr reizvolle junge Dame“, soll er gesagt und ihr sehr fest die Hand gedrückt haben. „Mein Ehemann lässt Sie grüßen“, soll sie, sehr blond, geantwortet haben. ■


Wer traf wen? Womit klopfte der Staatsgast später auf den Tisch?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2016)

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