Treffer: Katze fördert Karriere

Der Bub gefällt ihm: ein sehr lebendiges, elfjähriges Kind, ausgestattet mit viel Fantasie und dem Willen, sein Leben zu gestalten. Liegt es in den Genen? Seine Mutter ist Malerin, der Vater Kunsthistoriker. Ein vielversprechendes Erbe, meint zumindest der Freund der Familie.

Seit der Trennung der Eltern wächst der Bub in der Schweiz auf, wohin er mit seiner Mutter Baladine übersiedelt ist. Dort werden sie von jenem Dichter besucht, der das Talent des Kindes erkennt und den Baladine besonders innig herbeisehnt. Sie ist seit 1919 mit ihm liiert, eine stürmische Affäre – und vielleicht sogar mehr? Das weiß wohl auch ihr Geliebter nicht genau. Auf einen wie ihn sollte man nicht setzen. Er taugt nicht zum Pater familias, pendelt unentwegt durch die Welt, ein hochsensibler, geschätzter Mann, der oft bei Gönnern unterkommt: Sie überlassen ihm ihre Häuser oder Anwesen, häufig in der Hoffnung, ihn damit nachhaltig zu inspirieren.

Er selbst nimmt sein Werk um einiges wichtiger als sein Leben. Feinsinnig, wie er ist, beobachtet er seine Umgebung durch die Augen des Poeten. So auch den kleinen Balthasar. Dieser hat eine Katze gefunden, sie nach Haus mitgebracht und gepflegt. Bis sie unerwartet verschwand und nie mehr auftauchte. Den Kummer darüber hat er in einer Reihe von Zeichnungen eingefangen: einfachen Skizzen, die den Alltag mit dem Haustier porträtieren. Er zeigt sie dem Dichter. Und der ist so gerührt, dass er dem Buben vorschlägt, die Zeichnungen in einem Buch zu veröffentlichen: zusammen mit einem Vorwort, das er beisteuern würde, und unterebenjenem Namen, den er dem jungen Burschen gibt (und der fortan dessen Künstlername ist).

Und so geschieht's. Die Karriere seines Schützlings erlebt der Dichter nicht mehr mit. Er stirbt, noch bevor der aufstrebende Maler im Umkreis von Artaud, Giacometti und Matisse bekannt wird. Der Katze mit dem japanische Namen und etlichen ihrer Schwestern begegnetman in seinem Œuvre immer wieder. Dazu engelsgleichen Mädchen, die sich in rätselhaften Szenerien präsentieren. Keine Kunstwerke, die sich so leicht entschlüsseln ließen: Auch darin sind sich Maler und Dichter verwandt. ■


Wer traf wen? Wie heißt der Bildband, den die beiden Künstler veröffentlicht haben? Welche literarischen Vorlagen hat der Maler in späteren Jahren illustriert?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2016)

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