Treffer: Socken für ein Interview

Unangenehmen Fragen ging sie aus dem Weg. Auch ihr Sohn wechselte gern das Gesprächsthema, wenn ein mit ihm befreundeter Künstler ihn etwa danach fragte, ob sich sein Vater die Haare färben lasse.

Statt Auskunft über die Farbtreue der Haarpracht des Familienoberhaupts erhielt er zur Antwort, dass die Mutter des schüchternen jungen Freundes „sehr warmherzig und sehr charmant“ sei. Offensichtlich war er darum bemüht, seine Sippschaft trotz der Politkarriere seines Vaters als ganz „normale amerikanische Familie“ aussehen zu lassen.

Nicht lange vor dem Gespräch hatte Robert Redford mit dem Film „Eine ganz normale Familie“ sein Regiedebüt gegeben. An diesen Streifen erinnerte sich der mit Druckgrafiken zur Ikone der New Yorker Kunstszene aufgestiegene Künstler bei dieser Begegnung mit dem Sohn aus gutem Haus. Ohne einen direkten Bezug zur Mutter seines Gegenübers herzustellen, erzählte er ihm, dass die Mutter in diesem Film total kalt und durchtrieben gewesen sei. Genauso erschien ihm die Mutter seines Freundes dann auch, als er sie ein paar Monate später kennenlernte.

Das erste Mal traf der Künstler die zwischenzeitlich zur First Lady gewordene bekannteste Mutter Amerikas zufällig in einem Restaurant. Er wollte ihr aus dem Weg gehen, doch ihr Begleiter rief ihn heran. „Ach, Sie sind so gut zu meinen Kindern“, säuselte sie ihm entgegen. Der Künstler sann jedoch darüber nach, warum die Kinder der äußerlich attraktiven Frau nichts von ihrem Aussehen abbekommen hatten. Ein halbes Jahr später fragte ihn ein „Fabrikskumpel“, ob er mit ihm ein Interview mit der First Lady machen wolle. Sie plane, ihr herrisches Image zu korrigieren. Um dem Kumpel nicht das Feld zu überlassen, willigte er ein.

Zuerst ließ man sie im Empfangssalon lang warten, dann bot ihnen die First Lady nicht einmal ein Glas Wasser an, zuletzt verlief auch das Gespräch sehr schleppend. Nach dem Interview gab sie den beiden auch noch Socken für ihren Sohn mit, um zu zeigen, welch eine gute Mutter sie doch sei. Der Künstler war sauer. Eigentlich war er schon wütend in das Gespräch gegangen, weil sein Kompagnon ihn eindringlich davor gewarnt hatte, ihr „Sex-Fragen“ zu stellen. Sie haben deshalb, wie er später notierte, bloß „über Drogentherapien gesprochen, und das war langweilig“. ■


Wer traf wen? Wie hieß der Sohn der Lady?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2016)

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