Treffer: Und sein Wort macht Karriere

Und wenn es nun doch die falsche Entscheidung gewesen ist?

Wenn sie nicht schon als Kind unter die Obhut ihrer Tante gefallen wäre, der Äbtissin, und mit gerade erst 16 ihr Gelübde abgelegt hätte: Dann wäre alles anders gelaufen, und sie hätte sich nie einsperren lassen müssen. In den ersten Jahren fühlte sie sich von der Gemeinschaft umfangen. Doch inzwischen zweifelt sie am Sinn ihres Lebens. Zumal sie sich nach Kräften weiterbildet. In jenenZeiten, da ihr die Bücher eines kritischen Denkers in die Hände fallen, reift ihr Plan,sich davonzumachen. Aber würde sie es schaffen, sich jenseits des Schutzes der Kirche eine Existenz aufzubauen?

Die junge Frau entschließt sich dennoch, ins Ungewisse zu springen. Zusammen mit acht Mitschwestern gelingt ihr die Flucht. Sehr zum Wohlgefallen jenes Mannes, dessen Schriften für Aufruhr sorgen. Er und seine Freunde helfen mit, die Dissidentinnen bei Familien einzuquartieren oder sie unter die Haube zu bringen. Die Anführerin der Gruppe habe, wie es heißt, im Haus eines weithin berühmten Malers Unterschlupf gefunden.

Auch ihr werden einige Heiratskandidaten vorgeführt. Nach einer unglücklichen Liebe, die an der damaligen Heiratspolitik scheitert, entscheidet sie, dass sie nur mehr einen im Blick hat: ihren Mentor, den viel gehassten und auch bewunderten Querdenker mit den hochfliegenden Plänen. Er lässt sich ein, ehelicht die frühere Nonne und sorgt damit neuerlich für einen Skandal. Er sei nicht in sie verliebt gewesen, erklärt er später. Doch die Vernunftehe wächst zu einer herzlichen Verbindung heran. Wo der Theologe abhebt, bleibt seine Gefährtin geerdet: bestellt Land, erntet Gemüse, zieht die gemeinsamen Kinder auf und unterstützt ihren hypochondrischen Gemahl. Die beiden sind ein gutes Team, wie auch derMaler beobachtet, der sie mehrfach porträtiert hat.

Als der Paterfamilias stirbt, bestimmt er seine Gattin zur Haupterbin und verfügt, dass sie ohne den üblichen Vormundbleiben darf: ein Zeichen des Respekts und der Hochachtung. „Frauen soll man loben“, liest man in seinen Schriften, „sei es wahr oder erlogen.“ Eine Lebensweisheit? Einer seiner zahlreichen Sätze, die längst als Sprichwort oder Bonmot Karriere gemacht haben. ■


Wer traf wen? Wer war der Maler?
Welche anderen Reformer folgten den Ideen des Theologen?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2016)

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