»Setzen Sie Neurosen konstruktiv ein«

In Alpbach gab es heuer reichlich Ratschläge für junge Forscher und Unternehmensgründer.

Guter Rat ist für Jungforscher selten. Bei den Technologiegesprächen in Alpbach hatte der Nobelpreisträger Roger Y. Tsien aber gute Tipps parat: „Versuchen Sie, Ihre Neurosen konstruktiv einzusetzen.“ Er ließ sich von seiner Begeisterung für die Farbe Rot leiten, rote Leuchtproteine zu entwickeln. Zweiter Tipp des US-Forschers: „Suchen Sie ein Projekt, das Ihnen Sinneslust bereitet.“ Nur so kann man das unvermeidliche Scheitern wegstecken. Und: „Preise sind eine Sache von Glück, lassen Sie sich davon weder motivieren noch beeindrucken.“ Er muss es wissen – als Nobelpreisträger.

Auch der zweite in Alpbach anwesende Nobelpreisträger, Jean-Marie Lehn, setzte sich als Berater für die Jugend ein: Bei der Veranstaltung „Erfolgreiche Karriereplanung für Naturwissenschaftler“ betonte er die Internationalisierung: Man könne nicht mehr wie früher von der Dissertation bis zur Professur in einer Stadt leben. „Heute sind wissenschaftliche Karrieren von Diskontinuität geprägt“, sagte auch der frühere Boku-Rektor Leopold März. Die jungen Veranstalter des Abends wünschten sich, dass auch an Unis geplante Karrieren möglich werden – wie nun etwa im AIT Seibersdorf.


Unternehmergeist. Eine ganz andere Art von Karriere hat die Initiative „Start Europe“ im Sinn: In einer gut besuchten „Start-up-Lounge“ wurde in Alpbach versucht, jungen Menschen Mut zur Firmengründung zu machen, ihnen zu vermitteln, wie wichtig „entrepreneurial spirit“ (Unternehmergeist) ist und wie schön es sein kann, sein eigenes „Business“ aufzuziehen. Eingeladen war ein illustre Runde an Vorbildern – allen voran der Mitgründer des Internettelefonportals „Jajah“, Daniel Mattes. Er hat dieses Unternehmen geleitet und dann um mehr als 200 Millionen Dollar verkauft. Heute lebt er im Silicon Valley und in Österreich und gründet ein Unternehmen nach dem anderen. In Europa sei der Unternehmergeist vergleichsweise schwach ausgeprägt, sagt er. „In Österreich weiß jeder 1000 Gründe, warum ein Business scheitern muss.“ In Kalifornien dagegen kenne jeder zehn Leute, die reich geworden sind. „Das motiviert!“ Wobei Geldverdienen nicht das vorrangige Motiv sei – sondern vielmehr die Freude am Gestalten.

Am schlimmsten sei in Europa die Angst vor dem Scheitern. „Hier wird das als Drama angesehen, in den USA hingegen als ersten Schritt zum Erfolg“, sagte Markus Wagner, ebenfalls mehrfacher Firmengründer und heute erfolgreicher Risikokapitalgeber. Was Europa besser machen müsse: „Der ,entrepreneurial spirit‘ braucht Raum und eine Bühne.“ So eine, wie sie heuer in Alpbach geboten wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2010)

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