Was lange währt

2017 wird sie eröffnet, mit einiger Verspätung: die Hamburger Elbphilharmonie. Der Wiener Christoph Lieben-Seutter, seit 2007 Generalintendant, über die komplexe Genealogie des Projekts, die Hamburger Musikszene und seine Pläne.

Der gebürtige Wiener ChristophLieben-Seutter begann nach einer Ausbildung zum Software-Ingenieur als Direktionsassistent von Alexander Pereira im Wiener Konzerthaus. Von 1996 bis 2007 war er Generalsekretär der Konzerthausgesellschaft, künstlerischer und kaufmännischer Leiter des Festivals Wien modern und für die Generalsanierung des Konzerthauses zuständig. 2007 wurde er Gründungsintendant der Hamburger Elbphilharmonie.


Herr Generalintendant, wann erhielten Sie das Angebot für die Elbphilharmonie?


Im Frühjahr 2006. Mit der Elbphilharmonie beschäftigt habe ich mich schon seit 2004, weil das Wiener Konzerthaus eine Art Vorbild für das Betriebskonzept der Elbphilharmonie war. Alexander Gerard und Jana Marko, die Erfinder des Projekts, haben sich frühzeitig im Wiener Konzerthaus umgesehen. Dann kam alle paar Monate jemand von Hamburg nach Wien. Da konnte ich mir ausrechnen, dass irgendwann ein Intendant gesucht wird. Nach zehn Jahren Wiener Konzerthaus war ich reif für neue Abenteuer.


Von welchem Fertigstellungsdatum ist man damals ausgegangen?


In meinem Vertrag stand 2009. Man musste aber schon damals damit rechnen, dass bei einem derart riesigen Projekt nicht alles nach Plan geht. Für 2010 hatte ich jedenfalls erstmals eine Eröffnung geplant.


Was waren die ursprünglichen Kosten?


Es werden viele Zahlen kolportiert, aber was zählt, ist der Preis, zu dem die Elbphilharmonie bestellt wurde. Bei der Entscheidung der Hamburger Bürgerschaft, dieses Gebäude zu bauen, lagen die Gesamtkosten bei 280 Millionen. Diese haben sich mittlerweile fast verdreifacht auf 790 Millionen.


Was ist der Grund für diese Bauturbulenzen?

Ein zu rascher Baubeginn mit unfertigen Plänen, dieses Problem gibt es immer wieder. Bei der Elbphilharmonie waren die Verantwortlichen wohl zu sehr von der allgemeinen Begeisterung für das Projekt geblendet. Die Elbphilharmonie war ja ursprünglich als privates Projekt konzipiert. Bau und Betrieb des Konzerthauses sollten durch Hotel, Wohnungen, Parkhaus und Gastronomie querfinanziert werden. Dann hat die Stadt das Projekt als Private Public Partnership übernommen, aber eben zu schnell und mit einem zu kleinen Projektteam vom Stapel gelassen.

Was hat Sie an der Aufgabe gereizt?

Der einzigartige Charakter der Elbphilharmonie und ihre stadtplanerische und kulturpolitische Bedeutung. Dass es sich um ein Konzerthaus handelt, war nur ein Aspekt.

Konzerthaus-Chef war nicht immer Ihr Karriereziel?

Nein, es hat sich vielmehr aus einer Aufgabe die nächste ergeben. Um das Wiener Konzerthaus zu verlassen, musste es schon etwas Besonderes sein, denn in keiner anderen Stadt hat man diese Fülle an Musik, diese Selbstverständlichkeit, dieses Publikum.


Hamburg verfügt sei 1908 mit der Laeiszhalle über ein Konzerthaus, in dem die drei großen Hamburger Klangkörper, die Philharmoniker, die Symphoniker und das NDR-Sinfonieorchester, auftreten. Reicht das denn eigentlich nicht?


Die Laeiszhalle ist eine traditionsreiche philharmonische Halle, sicher eines der besten Konzerthäuser in Europa. Sie fasst 2000 Besucher, allerdings sind ein Viertel der Plätze reine Hörplätze. Außerdem kann man die groß besetzten Werke des vergangen Jahrhunderts nicht gut aufführen. Ursprünglich war die Laeiszhalle eine reine Miethalle. Erst mein Vorgänger Benedikt Stampa hat begonnen, ein kleines Programm von Eigenveranstaltungen zu entwickeln – das ich übernommen habe und aus dem mittlerweile die Elbphilharmonie-Konzerte geworden sind.


Sie sind also nicht, wie es zuweilen kolportiert wird, ein Intendant ohne Haus?

Im Gegenteil, ich habe zwei Häuser. Ein echtes und ein virtuelles. Die Laeiszhalle bleibt natürlich in Betrieb, dort werden nur weniger Konzerte stattfinden. Sie ist ein wunderbares Gegenstück zur Elbphilharmonie, die ästhetisch und akustisch ein völlig anderes Konzept verfolgt. Die Elbphilharmonie wird eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges sein, mit einem hohen Anteil touristischer Besucher.

Wie schaut die Verkehrsanbindung der Elbphilharmonie aus?

Die neue U-Bahn in die Hafen-City läuft unter der Elbphilharmonie durch, hat aber keine Station, ein kleiner Schildbürgerstreich. Wir werden mit einem Shuttle-Bus die Leute abholen.

Wann sollte nach heutigem Stand die Elbphilharmonie eröffnet werden?

Im Frühjahr 2017.

Wissen Sie schon das Programm des Eröffnungskonzerts?

Nicht mehr, wir hatten ja schon zwei geplant. Sicher ist, dass das Jus primae Noctis das NDR-Sinfonieorchester hat. Das Programm hängt auch davon ab, ob es live im Fernsehen übertragen wird. Muss es zugänglich und unterhaltsam sein, oder können wir uns eine große Uraufführung leisten? Wir planen natürlich Spektakuläres.


Erstmals findet in dieser Saison im Mai und Juni ein „Internationales Musikfest“ in Hamburg statt. Was steht auf dem Programm?

Es war immer geplant, die Saison der Elbphilharmonie mit Festwochen zu beschließen. Wir beginnen nur schon jetzt damit, auch um zu zeigen, dass die Hamburger Musikszene, die lange eher kleinteilig agierte, gut zusammengewachsen ist. Ich bin gewissermaßen der Chefkoordinator und bringe zusätzlich einige Gastspiele ein. Eröffnet wird mit dem NDR-Sinfonieorchester unter Thomas Hengelbrock mit der rekonstruierten Hamburger Fassung der Ersten Mahler, es kommen das Concertgebouworchester, die Münchner Philharmoniker unter Maazel, Netrebko und Schrott singen in Gounods „Faust“.

Ihr Hamburger Vertrag läuft bis 2018, da sind Sie erst Mitte 50.

Wenn die Elbphilharmonie 2017 eröffnet, bliebe ich wohl gerne noch ein paar Jahre in Hamburg.

Würden Sie nochmals eine Berufung an ein Haus annehmen, das es noch gar nicht gibt?

Wenn die Stadt stimmt: durchaus. Gerade weil man Know-how hat und weiß, was alles schiefgehen kann. Nur etwas weniger aufreibend darf der nächste Job schon sein. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2014)

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