Wann wehren wir uns endlich!

Symbolbild: Bildung
Symbolbild: Bildung(c) BilderBox (Erwin Wodicka)
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Bildungsdemontage – österreichisch. Ich weiß, wovon ich rede: Ich bin Gymnasiallehrer. Nachrichten aus dem Schultyp, der totgeschlagen werden soll.

Wer über drei Jahrzehnte aneinem österreichischen Gymnasium Fächer wie Deutsch und Geschichte unterrichtet hat, muss aus seinem Herzenkeine Mördergrube mehr machen. Die Frustration in der Lehrerschaft ist mittlerweile riesig wie in kaum einem anderen Berufsstand. Wenn sie nur mit gelegentlichen Demonstrationen in der Öffentlichkeit hervortritt, hat das den Hauptgrund darin, dass sichbei vielen Kolleginnen und Kollegen tiefe Resignation, bei manchen auch Galgenhumor breitgemacht hat. Diese Lehrergeneration hatzahlreiche Bildungsreformen durchlitten, die allesamt unter dem Begriff Bildungsdemontage hätten durchgehen können, und sie weiß, dass es auch noch schlimmer kommen kann.

Gerade das Gymnasium ist mittlerweile zum Prügelknaben der zuständigen Politiker, „Bildungsexperten“ und einschlägigen „Forschungsinstitute“ geworden. Diese für das österreichische Bildungswesen zentrale Institution wird seit einer Reihe von Jahren systematisch beschädigt und finanziell ausgehungert. Humanistische Bildungscheint vielen ein Gräuel zu sein. Ein Landeshauptmann, der eine Pflichtschule und eine Gendarmerieschule besucht hat,mag mit dieser altehrwürdigen Bildungsstätte tatsächlich ein Problem haben, aber unter den Geistern, die die Abbruchbirne schwingen, befindet sich auch ein „Bildungssprecher“ einer Partei, der einmal selbst Gymnasiumsdirektor war. In gewissen Kreisen gehört es offenbar zur guten Ideologie, nach der Gesamtschule zu schreien, um das öffentliche achtjährige Gymnasium endlich zerstört zu wissen.

Wenn Männer der Industrie dies in Pressekonferenzen verlangen – ihre eigenen Kinder schicken sie in erlauchte, sündteure Privatgymnasien –, fragt man sich: Sind diese Leute so dreist zu glauben, die Öffentlichkeit leichthin beschwindeln zu können? So skrupellos, ihre Elitenbildung ohnehin durch finanzielle Privilegien abgesichert zu sehen? Oder bekennen sie sich schlicht dazu, dass es für die Industrie nur von Nutzen sein kann,wenn junge Menschen ohne breit angelegte Bildung und kritisch fundierte Weltsicht in die Betriebe kommen? Die Einsicht, dass die systematische Zerstörung des Mittelstandes, die Staat und Banken (unwissend, wie man gerne glauben wollte) betreiben, gerade diesen Industriekapitänen das Wasser abgraben wird, scheinen sie genauso zu ignorieren wie die Erkenntnis, dass kreative Geister, die den Staat voranbrachten, zumeist aus dem Mittelstand (und der ländlichen Unterschicht) stammten und Abgänger öffentlicher achtjähriger Gymnasien waren.

Die typisch österreichische Bildungsdemontage der vergangenen Jahrzehnte zu beschreiben würde dieses Format hier bei Weitem sprengen. Aber ein paar Beobachtungen mögen beispielhaft zeigen, was im Kleinen wie im Großen stattfindet. Ich bin Schulbibliothekar und sehe, was beispielsweise dieOberstufen- und Maturareform an Schaden anrichtet. Die Zentralmatura in Deutsch verlangt die Einübung von neun Textsorten bescheidenen intellektuellen Reizes, die der Maturant später in den seltensten Fällen brauchen wird undwahrscheinlich auch nicht mehr brauchen will, da sie ihn an öde Zeiten erinnernwerden, in der bei Texten vor allem formal-mechanische Kompetenzen abgeprüft wurden. Das Eintrichtern dieses Stoffes geht stark zulasten des Literaturunterrichts. War der Deutschunterricht der Oberstufe bisher davon geprägt, dass junge Menschen alle Bereiche des Lebens über große Werke der Weltliteratur erfahren, bedenken und durch selbst verfasste Texte reflektieren konnten, so ist dieser enorm wichtige Teil der Ausbildung zur Nebensache geworden. Die Maturaarbeiten sind nun normiert, kurz gehalten (zu umfangreiche Arbeiten müssen negativ beurteilt werden!) und fast ausschließlich journalistisch orientiert; eines der Themen dient noch als literarisches Feigenblatt – es baut auf Texten auf, die auch ohne Kenntnis eines Literaturkanons zu bearbeiten sind; aber die meisten Schüler werden bei der Reifeprüfungohnehin nicht dieses Thema wählen, sondernsich für die trivialeren und leichteren Aufgaben entscheiden.

Das alles hat zur Folge, dass die Ausleihungen in der Schulbibliothek stark rückläufig sind. Und damit wächst eine Generation junger Akademiker heran, die vielleicht gerade noch rudimentär etwas von Goethe, Büchner, Schnitzler und Kafka, vielleicht nochvon Bernhard gelesen hat; aber ein großer Teil der Maturanten hat nie etwas von Horváth, Frisch, Bachmann, Grass, Böll, Handke, Haushofer, Innerhofer, Jelinek oder Turrini gehört, geschweige denn von Gstrein, Geiger, Glavinic, Glattauer, Gauß, Gstättner oder Gantenbrink, um nur einige Autoren der Gegenwartsliteratur zu nennen.

In den Fremdsprachen ist das Ergebnis noch erschreckender: In diesen werden bei der Matura nahezu nur noch kommunikative Kenntnisse verlangt, die mit Allerweltsthemen aus der Freizeit- und Konsumwelt abgedeckt werden. Bei aller Wertschätzung von kommunikationsorientiertem Unterricht: Offenbar trauen wir unseren Kindern in der Fremdsprache nur noch zu, sich über Beziehungen und soziale Netzwerke, Freizeit und Lifestyle, Mode und Trends, Sport und Werbung zu unterhalten. Die Tatsache, dass Fremdsprachen vor allem über literarische Texte vertieft werden können, scheint keine Relevanz mehr zu haben. Die Folge: Wurden noch vor einigen Jahren sehr häufig Werke englischer und auch französischer Literatur ausgeliehen, so verstauben nun diese Regale;Entlehnungen sind eine Seltenheit geworden,die Maturanten kennen keine Namen mehr wie Dickens, Austen, Woolf, Beckett, Steinbeck oder Flaubert, Zola, Camus, Beauvoir und Sartre.

Es ist traurige Realität: Die Bildungsministerinnen haben bei Sonntagsreden viel von „Leseoffensiven“ gesprudelt, in Wirklichkeit wird die Lesefähigkeit durch die Bildungspolitik massiv verschlechtert. Vielleicht haben sie nicht einmal verstanden, was die sogenannten Bildungsinstitute anrichten. Oder aber sie sind der Ansicht, esgenüge ja ohnehin, wenn die Jungen ein wenig plaudern und zwitschern – komplexe Zusammenhänge scheinen heute ja schon mit140 Zeichen hinreichend dargestellt werden zu können.

Aber es gibt noch andere Bifie-Neuerungen (Bundesinstitut für Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens):Eben hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, eine Deutschschularbeit der angehenden Maturanten nach dem nun vorgeschriebenenneuen „Bewertungsraster“ zu korrigieren. Ich habe das Privileg, eine Klasse mit 20 Schülern zu führen (während meine Kollegen 28, 29 oder 30 Hefte korrigieren müssen, weil die Verkleinerung der Schülerhöchstzahl in der Oberstufe aus Spargründen immer noch kein Thema ist). Trotzdem saß ich bei zügiger Korrektur mehr als zehn Stunden über den Heften. Denn nun stehen für jeden Schüler 148 Kästchen zum Ankreuzen zur Verfügung, die bei der Bewertung eine Option bilden (macht bei 20 Schülern 2960 Kästchen, bei 29 Schülern sind es schon 4292 Wahlmöglichkeiten). Das bedeutet aber nicht, dassdamit wenigstens eine Note errechnet werden könnte, denn den Korrektoren steht es frei (wie vor Kurzem alle Lehrpersonen per Mail informiert wurden), die Gewichtung derKästchen selbst festzulegen.

Wie vertrottelt (Pardon: trennscharf) der Bewertungsbogen ist, zeigt etwa der Umstand, dass zu unterscheiden ist, ob ein Arbeitsauftrag „überwiegend“, „zur Gänze“, „über das Wesentliche hinausgehend“ oder „über das Wesentliche weit hinausgehend“ erfüllt wurde; hat sich der Korrektor nach Plagen seines Gewissens dafür entschieden, dass der Auftrag „im Wesentlichen zur Gänze“ erfüllt wurde, muss er sich in der nächstenEbene entscheiden, ob die „Schreibhandlungen im Sinne der Textsorte“ entweder „überwiegend erkennbar“, „weitgehend realisiert“,„durchgehend realisiert“ oder „umfassend und durchgehend realisiert“ sind. Diesen Gewissenserforschungsprozess darf er in weiteren 14 Rubriken fortführen und sich dabei beispielsweise überlegen, ob textstrukturell „ein überwiegend kohärenter Aufbau innerhalb der Absätze“, eine „gut erkennbare Kohärenz innerhalb der Absätze“ oder „ein sicherer Einsatz von Kohäsionsmitteln“ vorherrscht oder der Text gar „durchgehend kohärent mit zielgerechtem Einsatz von metakommunikativen Mitteln“ verfasst wurde.

Nach der Korrektur nach dem neuen Heilsprinzip waren alle meine Kolleginnen und Kollegen stocksauer auf die Bildungsexperten, die diesen schwachsinnigen Raster entworfen haben (vielleicht – die Vermutung drängt sich auf – war es auch ein ausgefuchster Jurist, der mit seinem Deutschlehrer noch eine Rechnung offen hatte). Wen wundert es, wenn sich Verschwörungstheorien breitmachen: Der „Raster“ soll dazu dienen, die Lehrerinnen und Lehrer zu schikanieren, zu entmutigen und vor allem zu entmündigen. Alle anderen Denkkonstruktionen ergeben keinen Sinn, denn der Raster erhöht weder die Treffsicherheit noch die Vergleichbarkeit, und die Schüler können mit der für sie absolut ungeeigneten Terminologie erst recht nichts anfangen. Sie wünschen sich die klaren Punktesysteme, die bestens erprobt waren, zurück. Und sie wünschen sich auch zu Recht eine Schule, in der nicht Rasterung und Etikettierung im Vordergrund stehen, sondern das Lernen als ein Entwicklungsprozess begriffen wird, der dem Kreativen und Originellen mehrWert beimisst als normierten Standardergebnissen.

Man kann weitere Novitäten nennen, die noch wesentlich verderblichersind und die der Kollegenschaft auf den Kopf geschlagen wurden, ohne dass auch nur einer aus unserer großen Schule (100 Lehrkräfte) gefragt worden wäre. Für die mündliche Maturabraucht man in Deutsch 24 mal zwei unabhängige, sogenannte kompetenzorientierte Fragen (das bedeutet, unverblümt gesagt, dass sie bei gutem „rhetorischem Charme“ auch mit wenig Fachwissen beantwortet werden können sollten), aus denen die Maturanten wie Glücksspieler ziehen müssen. So ist es auch in anderen Fächern. Die Konsequenz ist, dass mittlerweile – wollen wir uns nicht bloß auf den „Charme“ verlassen – im Oberstufenunterricht nur noch diese Fragenkataloge durchgeprügelt werden. Es ist praktisch nicht mehr möglich, Themen gründlich zu erarbeiten. Diente früher die Schulbibliothek als ein Ort, in dem Klassen in einem etwas anderen, freieren Zusammenhang lernten, in Gruppen Lernstoffe erarbeiteten oder schlichtweg die Schätze der Bibliothek zur Erstellung von Referaten oder Stellungnahmen nutzten, so ist dieses schöne Modell des Unterrichts mittlerweile gestorben. Es ist schlicht keine Zeit dazu mehr da, die Fragenkataloge (neudeutsch „Themenpools“ genannt) haben jene Form des Unterrichts erdrückt, in dem junge Leute selbstständig und kreativ Wissensgebiete erschließen konnten.

Aber warum schreibe ich denn nur vom Fach Deutsch, das ohnehin keine Bedeutung mehr hat, wie die Anmeldungen zur mündlichen Matura zeigen? In drei von vier Klassen gibt es an unserer Schule keinen einzigen Kandidaten in Deutsch. Am Gymnasium Egg und am Gymnasium Bregenz-Mehrerau hat sich, wie ich von Kollegen erfuhr, gerade ein einziger Schüler im Fach Deutsch angemeldet. Was für eine Fehlplanung der „Experten“, was für eine Schieflage für das, was „Reifeprüfung“ hieß: Die Unterrichtssprache Deutsch wird marginalisiert oder de facto abgewählt! Das bedeutet nicht nur Sprachverlust, sondern nichts weniger als die Auslöschung jener Art von Welterkenntnis, die bisher über die Literatur erfolgt ist. Der Literaturunterricht ist tot.

Also schreibe ich – um über einen anderen ärgerlichen Aspekt zu reflektieren – über mein zweites Fach, Geschichte, das in der neunten Schulstufe weiterhin – wie mehrere andere Fächer – als Einstundenfach (pro Woche) unterrichtet wird – ein Erbe der Schüssel-Gehrer-Einsparungspolitik aus dem Jahr 2003, das noch immer nicht korrigiert wurde. Das heißt, bei ungünstigen kalendarischen oder stundenplantechnischen Umständendie Klasse oft über Wochen nicht zu sehen, kurz wieder 50 Minuten einen Inhalt zu beginnen und zu hoffen, dass die Schüler den Faden bis zum nächsten Mal nicht ganz verlieren werden. Mit diesem Einstundenfach soll in einem Jahr der Zeitraum von der Antike (Frühgeschichte und frühe Hochkulturen, Epochen, in welche die fundamentalen Leistungen der Menschheit fallen, sind seit 2004 kein „Lehrstoff“ mehr!) bis in die frühe Neuzeit abgedeckt werden – eine von mehreren Erklärungen für das blamable Geschichtswissen österreichischer Akademiker. Jeder, der mit der Schule zu tun hat, kennt solche Relikte der Bildungssteinzeit, aber ich kann mich nicht erinnern, dass sie jemals einThema der Bildungsreformexperten gewesen wären, die um teures Geld allerorten in den Medien ihre Expertisen anpreisen.

Nun waren ja Geschichtekenntnisse – wenn man von Zwischenrufen von BrunoKreisky und Fred Sinowatz absieht – nie etwas, was die politisch Verantwortlichen für wichtig gehalten hätten. Ein Fach wie „Politische Bildung“ ist immer noch nicht realisiert. Aber die Prioritäten sind ohnehin ganz andere. Bei den Schülern dreht sich in der Oberstufe sowieso fast alles nur um das Fach Mathematik. Auf Matheschularbeiten wird wochenlang gebüffelt und mit Nachhilfelehrern geübt. Mit der Maturareform hat sich die unhaltbare Situation ins Unerträgliche potenziert. So wird nun die gesamte Oberstufe lang das Gespenst der Bifie-Zentralmatura beschworen. Unlängst ist eine vom Bifie ausgearbeitete Schularbeit für die achten Klassen völlig danebengegangen (obwohl die Lehrer schon am Tag nach derKlausur von den Schulbehörden angehalten wurden, „mit Bedacht“ zu korrigieren respektive beide Augen zuzudrücken und auch eventuell Nummern zu streichen, da die Aufgaben zu umfangreich gewesen seien) und hat einen gesamten Schülerjahrgang gänzlich verunsichert.

Stark verschärft hat das letzte Schuljahr eine weitere Eingebung der Bildungswissenschaftler: die VWA (Vorwissenschaftliche Arbeit). Eine Arbeit von 40.000 Zeichen, die wissenschaftlichen Kriterien entspricht, zu verfassen bis Februar vor der Matura (in einerPhase, wo sich Schularbeiten an Tests und Prüfungen reihen). Abgesehen davon, dass dies einen riesigen Schwarzmarkt für die Verfassung und den Austausch solcher Arbeiten eröffnet (wohlhabende Eltern wissen, was zu tun ist), zeigt es sich, dass die Lehre, wie man solche Arbeiten verfasst, bisher zu Recht eine Aufgabe der Universitäten war; dieStudenten erlernten die Fertigkeiten in den Proseminaren. Es gab viele warnende Stimmen aus der Lehrerschaft gegen die VWA, sie sind von den „Bildungsexperten“ allesamt in den Wind geschlagen worden.

Als Lehrer fragt man sich immer wieder: Wie konnte das alles passieren? Die Antwort liegt – nicht nur, aber zum großen Teil – darin: Das Bildungsministerium duldete und förderte die Ermächtigung der Bildungswissenschaftler. Ein Umbruch im Bildungswesen mit enormen Auswirkungen, der sich vor allem unter Unterrichtsministerin Schmied (die nun, was bezeichnend ist, als promovierteWirtschaftlerin an einer „School of Education“ lehrt) vollzogen hat, ging so verdeckt vor sich, dass die Öffentlichkeit kaum davon Notiz nahm: die Ablöse der Praktiker aus dem Schulbereich durch Bildungsinstitute, an denen vor allem praxisfremde Bildungsspekulanten arbeiten. Sie dominieren nun Bifie, Schulforschungs- und Lehrerbildungseinrichtungen, und sie haben sich auch der Lehrerfortbildung bemächtigt. Die Fortbildungskurse für die Lehrer an den Pädagogischen Akademien sind ein Abbild ihrer Herrschaft: Konnte man früher in diesem Rahmen sein Wissen mit blendenden Vorträgen bedeutender Kapazitäten àla Wendelin Schmidt-Dengler oder Anton Pelinka vertiefen, so werden nunmehr fast ausschließlich mediokre Seminare dieser Bildungswissenschaftler angeboten – es geht darin faktisch nur noch um eines: Didaktik in all ihren theoretischen Formen.

Dieses Heer an Theoretikern, das früher meist rasch den Beruf gewechselt hat, um der Arbeitslosigkeit zu entgehen, hat sich in den vergangenen Jahren raffiniert den Weg zu den Fleischtöpfen der Bildungsinstitutionen erkämpft und wird sich von dort auch nicht mehr leicht vertreiben lassen, es sei denn, das Bildungsministerium erhält eines Tages wider jede Erwartung eine Führung, die dieses Treiben durchschaut und dieCourage hat, den ganzen Laden wieder vom Kopf auf die Beine zu stellen. Dass sich dieser Wunsch erfüllen wird, ist – angesichts der politischen Situation – sehr unwahrscheinlich.

Zum Thema „Bildungspolitik“ soll zuletztnur noch auf die Misere der neuen Lehrerausbildung hingewiesen werden, bei der ein gut erprobtes System ohne Not zerschlagen wurde. Auch hier dominiert nun das Didaktische in all seinen theorielastigen Ausprägungen, während eine fundierte Fachausbildung nicht mehr gegeben ist.

So fällt ein Resümee von 30 Jahren Unterrichtstätigkeit mehr als zwiespältig aus. Immerhin war die Arbeit mit jungen Menschen erfüllend, aber die Bildungspolitik hat wirklich wenige Chancen versäumt, den Beruf der Lehrerinnen und Lehrer zu erschweren und unattraktiv zu machen. In gleicher Weise hat sich die Situation für die Jugendlichen dramatisch verschlechtert; sie leiden unter einer Schule, die, immer stärker normiert, wenig kreativen Raum lässt. Das nenntman heutzutage Vorbereitung fürs Leben: Die Kinder und Jugendlichen sollen bereits frühzeitig an das den ganzen Planeten krank machende System gewöhnt werden. Die Freiräume werden ständig enger, der Stress steigt, und doch dient das Ganze, wie Konrad Paul Liessmann messerscharf analysiert hat, vor allem der „Unbildung“.

Vielleicht sollten wir das von Bildungsministerinnen verratene, an schulfremde Bildungsbürokraten ausgelieferte und von Bildungsforschungsinstituten verknechtete Gymnasium tatsächlich abschaffen. Wozu auch all der bürgerliche Bildungsballast, wozu noch die letzten Reste kreativer Welterfahrung, wozu gar die Inhalte allgemeinbildender „Orchideenfächer“, die mit Philosophie, Literatur, Kunst oder Musik zu tun haben? Das alles ist dem österreichischen Staat ohnehin zu teuer, und zudem: Wer gut verapplet und vergooglet ist, kapscht sich auch ohne humanistische Bildung gut durchs Leben.

Es gäbe dazu freilich auch noch eine Alternative, nämlich dass diejenigen, die sich um diesen Staat und seine jungen Leute Sorgen machen, endlich einen Aufstand wagen und – um nochmals Liessmann zu zitieren – der „Geisterstunde“ der Bildungsspekulanten und Politdilettanten ein Ende setzen! „Allons enfants de la Patrie...“ ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2015)

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