Die Formel des Friedrich Hasenöhrl

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Sie ziert Tassen, T-Shirts, Kunstdrucke: die berühmteste Formel der Welt, E = mc2.Albert Einstein wird sie zugeschrieben, und nur die wenigsten wissen, dass vor ihm ein Wiener Physiker ganz Ähnliches veröffentlicht hat. Sein Name: Friedrich Hasenöhrl. Hinweis auf einen Vergessenen.

Sie ist die berühmteste Formel der Welt: Sie ziert Tassen, T-Shirts,Kunstdrucke und diente sogar als Titel für Mariah Careys elftes Studioalbum. Jeder Jugendliche lernt sie in der Schule, sie fehlt in keinem Physikbuch, und jedem wissenschaftlich Interessierten ist sie ein Begriff: E = mc2,die Äquivalenz von Masse und Energie. Albert Einstein stellte die Formel 1905 auf und sicherte sich mit ihr einen Platz in der Geschichte.

Doch nur die wenigsten, Physiker und Wissenschaftshistoriker ausgenommen, wissen, dass bereits ein Jahr zuvor der Wiener Physiker Friedrich Hasenöhrl eine ganz ähnliche Formel veröffentlicht hatte. Sein Pech war, dass er sie nicht so allgemeingültig wie später Einstein formulierte, sondern sie nur auf einen Spezialfall bezog, auf in einem Hohlraum eingeschlossene elektromagnetische Strahlung. Einstein war zu dieser Zeit ein kleiner Beamter im Eidgenössischen Patentamt in Bern und hatte kaum Kontakt zu Kollegen an den Hochschulen. Die Quellenlage deutet denn auch darauf hin, dass beide Physiker unabhängig voneinander zur fast gleichen Formel gelangten.

Während des 19.Jahrhunderts tauchte eine neue Sparte in der Physik auf: die Elektrodynamik, die die Newtonsche Mechanik erweiterte. So wurde zum Beispiel der Begriff der elektromagnetischen Masse eingeführt. Dieser besagt, dass nicht nur ein Körper Masse und somit Trägheit besitzt. Auch einer elektrischen Ladung wurde nun Masse zugeschrieben. Was Masse hat, verfügt auch über die Eigenschaft der Trägheit, so der Gedankengang. Ergo sei die Masse einer elektrischen Ladung eine träge Masse. Neben Masse, Trägheit und elektromagnetischen Vorgängen trat noch eine weitere Größe in den Fokus: die Energie. Waren Energie und Trägheit in der klassischen Physik getrennte Konzepte gewesen, zeigten nun Physiker wie Joseph John Thomson (1881) und George Searle (1897), dass Energie und Masse zusammenhängen. Friedrich Hasenöhrl erweiterte diesen Ansatz um eine auf den ersten Blick ziemlich abstrakt wirkende Erkenntnis: Auch dem Innenraum eines Gefäßes, aus dem man die Luft pumpt, muss eine Masse und somit eine Trägheit zukommen, wenn dieses von elektromagnetischer Strahlung, etwa Wärme, durchdrungen wird. Infolgedessen besitzt auch ein Hohlraum Masse. Hasenöhrl veröffentlichte dazu in den Jahren 1904 und 1905 mehrere Arbeiten mit dem Titel „Zur Theorie der Strahlung in bewegten Körpern“. 1904 stellte er die Formel E = 3/8mc2 auf, die er 1905 in E = 3/4mc2änderte. Für diese Studien erhielt Hasenöhrl von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften den Haitinger-Preis.

Albert Einstein gelangte in seiner Arbeit „Zur Elektrodynamik bewegter Körper“ 1905 zur endgültigen Formel E = mc2. Sie war schön, schlank, schlicht – und folgenschwer. Einstein verstand deren Bedeutung und Tragweite augenblicklich – sowie deren Gefahr. Er wandte die Formel – und das ist sein großes Verdienst – allumfassend an: auf jegliche Masse und Energieform. Ändert sich in einem System die Masse, verändert sich auch der Betrag der Energie und umgekehrt. Masse und Energie können ineinander umgewandelt werden. Da c die Lichtgeschwindigkeit mit knapp 300.000 Kilometern pro Sekunde ist, ergibt deren Quadrat einen gigantischen Wert. Folglich lässt sich aus einer winzigen Masse enorme Energie gewinnen. Das geschieht tagtäglich seit Milliarden Jahren bei Kernfusionen in den Sternen, somit auch in unserer Sonne, sowie bei der Kernspaltung in Kernkraftwerken. Die Explosion der Atombomben in Hiroshima und Nagasaki im August 1945 führten die verheerenden Auswirkungen dieser extrem hohen Energiemengen drastisch vor Augen. Die Entwicklung der Atombombe ist letztlich auf die Formel E=mc2 zurückzuführen. Die Arbeiten von Hasenöhrl stellen eine Vorstufe zu Einsteins Formel dar – zur Schicksalsformel des Universums, wie sie häufig genannt wird.

Zu einem Prioritätenstreit zwischen Hasenöhrl und Einstein kam es nie. Die beiden begegneten einander 1911 persönlich: auf der ersten Solvay-Konferenz, einer bis heute in regelmäßigen Abständen stattfindenden internationalen Fachkonferenz für Physik und Chemie. Eingeladen war alles, was damals in der Szene Rang und Namen hatte: Unter den 24 Teilnehmern befanden sich neun spätere Nobelpreisträger. Der einzige österreichische Physiker war Friedrich Hasenöhrl, was seinen damaligen Ruf als Wissenschaftler in Fachkreisen verdeutlicht.

Hasenöhrl war im Gegensatz zu Einstein nur ein kurzes Leben von 41 Jahren vergönnt. Dennoch bereicherte er in dieser Zeit das physikalische Wissen um zahlreiche Details. Umso verwunderlicher ist es, dass er sich in der Physikergilde keinen dauerhaften Platz sichern konnte, sondern – von Spezialisten abgesehen – rasch in Vergessenheit geriet.

Um die Jahrhundertwende schlug die Physik ganz neue Wege ein. An den Universitäten wurden Lehrstühle für Physik, auch für Mathematische und Theoretische Physik, ins Leben gerufen. Hinzu kamen außeruniversitäre Forschungseinrichtungen wie die Physikalisch-Technische Reichsanstalt Berlin, gegründet im Jahr 1887. Es war eine Ära des Aufbruchs. Längst konnte man mit der Newtonschen Mechanik und den Methoden der klassischen Physik nicht alle Naturphänomene erklären. Dazu gehörten beispielsweise die 1895 von Wilhelm Conrad Röntgen nachgewiesenen Röntgenstrahlen, die 1896 von Henri Becquerel entdeckte und von Marie Curie benannte Radioaktivität sowie das 1897 von Joseph John Thomson identifizierte Elektron. Protonen und Neutronen konnten erst Anfang des 20. Jahrhunderts nachgewiesen werden. Über den Atomaufbau gab es nur vage Spekulationen.

Die Zeit war reif für ein Hinterfragen der traditionellen physikalischen Theorien. Die Pioniere der neuen Konzepte waren vor allem Albert Einstein mit der Speziellen und der Allgemeinen Relativitätstheorie sowie Max Planck mit seiner Quantenhypothese.

All diese Veränderungen des physikalischen Weltbildes konnte niemand ahnen, als Friedrich Hasenöhrl am 30. November 1874 als zweites Kind des Regierungsrats, Hof- und Gerichtsadvokaten Viktor Hasenöhrl und seiner Frau Gabriele, geborene Freiin von Pidoll zu Quintenbach, in Wien zur Welt kam. Gemeinsam mit seiner älteren Schwester wuchs er in sehr behüteten und wohlsituierten Verhältnissen auf. Seine Mutter opferte sich für die Kinder auf und umsorgte insbesondere den kleinen Friedrich, dem keiner etwas zuleide tun durfte. Eines Tages – so berichtet seine Enkelin Monika Elbel, die ebenfalls Physik studierte – sei ihr Großvater wieder einmal schlimm gewesen. Wie es damals in der Erziehung gang und gäbe war, wurden Vergehen mit Schlägen bestraft. Damit ihr Bub die Stockhiebe des Vaters jedoch nicht allzu stark zu spüren bekam, wandte Gabriele Hasenöhrl einen Trick an: Sie zog ihrem Sohn einen dicken Schlafrock an, der die Schläge abfederte.

Wie es sich für einen gutbürgerlichen Haushalt in der damaligen Zeit gehörte, sollte Friedrich eine gediegene humanistische Ausbildung genießen. Drei Gymnasien in Wien hatten einen besonders guten Ruf: das Schottengymnasium, das Akademische Gymnasium und die k. k. Theresianische Akademie, die Hasenöhrl von 1884 bis 1892 besuchte. Sein Onkel mütterlicherseits, Michael Freiherr von Pidoll, war Direktor der Akademie.

Eine gewisse Begabung in Mathematik und Physik machte sich bei Hasenöhrl schon während der Schulzeit bemerkbar. Er hatte einen engagierten Mathematik- und Physiklehrer, der die talentierten Schüler in der Differenzial- und der Integralrechnung unterwies. 1892 maturierte Hasenöhrl mit Auszeichnung. Im selben Jahr erhielt er die höchste Auszeichnung für begabte Zöglinge der Theresianischen Akademie: die Kaiserpreis-Medaille, die ihm für einen in der Zeitschrift „Die österreichische Mittelschule“ veröffentlichten Text verliehen wurde. Das Thema dieser Arbeit geht dem Laien vermutlich nicht ganz leicht von den Lippen: Es drehte sich um die Quadratur und die Retifikation der Zykloide.

1892 bis 1897 studierte der junge Hasenöhrl an der Universität Wien, 1895 meldete er sich für ein Jahr freiwillig zum Heer, wobei er es 1897 zum Leutnant der Reserve brachte. Ihm wurde eine rasche und hohe Auffassungsgabe nachgesagt, aber auch gute Kenntnisse beim Schießen und im Pferdewesen. 1897 promovierte Hasenöhrl unter Franz Exner über die Abhängigkeit der Dielektrizitätskonstante fester und flüssiger Stoffe von der Temperatur. Seine ersten Publikationen waren zahlentheoretische Arbeiten, aber schon bald wandte er sich der Theoretischen Physik und hier speziell der Elektrizität zu. Als Student veröffentlichte er unter Boltzmann eine Arbeit, wie man die gegenseitige Induktion elektrischer Ströme mechanisch erklären könnte.

1898 heiratete Hasenöhrl die Wienerin Ella Brückner, mit der er einen Sohn und eine Tochter hatte. 1898/99 absolvierte er einen Auslandsaufenthalt in den Niederlanden, an der Universität Leiden, der seinen weiteren Berufsweg entscheidend prägte. Auf Empfehlung seines Wiener Lehrers Ludwig Boltzmann verbrachte er ungefähr ein Jahr als Assistent im einst weltberühmten Kältelabor des späteren Nobelpreisträgers Heike Kamerlingh Onnes. Dieser erhielt 1913 die höchste wissenschaftliche Auszeichnung für seine Untersuchungen der Eigenschaften von Materie bei tiefen Temperaturen und für die erstmalige Herstellung von flüssigem Helium bei minus 272,3 Grad Celsius.

In Leiden vollendete Hasenöhrl seine Arbeit über die elektrischen Eigenschaften von flüssigem Stickoxydul – heute Distickstoffoxid genannt – und von Sauerstoff. Während dieser Zeit lernte er eine weitere ihn prägende Physikkapazität kennen, den späteren Nobelpreisträger Hendrik Antoon Lorentz, Begründer der modernen Elektronentheorie, der unter anderem die mathematischen Grundlagen entwickelte, auf denen einige Jahre später Albert Einstein seine Relativitätstheorie aufbaute.

Mit zahlreichen Denkanstößen von Kamerlingh Onnes und Lorentz im Gepäck kehrte der junge, zielstrebige Physiker im Jahr 1899 nach Wien zurück. Im selben Jahr habilitierte er sich an der Universität Wien und wandte sich ganz der Theoretischen Physik zu. Zur Jahrhundertwende legte Max Planck mit seiner Hypothese, dass Strahlungsenergie nicht kontinuierlich, sondern in Portionen, den Quanten, abgegeben wird, den Grundstein für die Entwicklung der Quantenmechanik.

Im Jahr 1905 wurde Hasenöhrl als Professor an die Technische Hochschule Wien berufen, wo er sein theoretisches Wissen auch auf praktische Problemstellungen anwandte. Beispielsweise veröffentlichte er während dieser Zeit eine Arbeit zur Theorie einer Schnellumlauf-Warmwasserheizung – was immer das gewesen sein mag.

Zwei Jahre später folgte die Krönung seiner Karriere. Er übernahm den Lehrstuhl seines einstigen Förderers Ludwig Boltzmann, der sich am 5. September 1906 am Fensterkreuz eines Kurhotels im österreichischen Duino, heute an der italienischen Adriaküste gelegen, erhängt hatte. Eine verantwortungsvolle Bürde, die man dem damals 33-Jährigen übertrug, die er jedoch – wie sich bald herausstellte – mit Bravour zu bewältigen verstand. Durch sein liebenswürdiges, bescheidenes Wesen gewann er sowohl die Gunst der Kollegen als auch die Zuneigung vieler seiner Studenten. Und das, obwohl Hasenöhrl, der unter den Professoren den Studierenden altersmäßig am nächsten stand, als sehr streng galt. Mittelmaß war ihm ein Gräuel. Auch privat hatte er dafür wenig Verständnis. So soll er seiner Verlobten, als sie gemeinsam Hausmusik machten –Hasenöhrl mit seiner Geige und Ella Brückner am Klavier – mit dem Geigenbogen auf die Finger geklopft haben, wenn sie wieder einmal nicht die richtigen Töne traf.

Der trotz allem beliebte Professor verlangte viel von seinen Studenten, vertrat er doch den Standpunkt, dass der Weg zum Doktortitel kein einfacher sein sollte. Um diesen Grad zu erlangen, sollte man ein grundlegendes Verständnis für physikalische Probleme mitbringen. Diejenigen, bei denen er einen Funken dieses Verständnisses erahnte, förderte er und pflegte mit ihnen ein nahezu freundschaftliches Verhältnis auf Augenhöhe. Und die Beziehung ging in mehreren Fällen über den Hörsaal und die Universität hinaus. So mancher Student lernte bei Hasenöhrl nicht nur ein solides physikalisches Grundwissen sowie eigenständiges Denken und das Lösen physikalischer Aufgaben, sondern auch Klettern und Wandern und ließ sich von der Begeisterung des jungen Professors für die Alpen anstecken.

Der Liebe zur klassischen Musik frönte er in einem Quartett, in dem er Geige spielte, und bei der Hausmusik mit Studenten. Eine Leidenschaft, die er mit vielen namhaften Physikern teilte, zum Beispiel mit Albert Einstein und Max Planck. Im Kindesalter war Hasenöhrls Freude am Geigenspiel allerdings nicht vorhersehbar gewesen. Als kleiner Bub soll er sich einen ganzen Tag lang auf einem Schrank versteckt haben, um die Unterrichtsstunde mit dem ungeliebten Geigenlehrer zu schwänzen. Hasenöhrls Musikbegabung scheint sich vererbt zu haben: Sein Urenkel ist ausgebildeter Pianist, hat sich aber aus pragmatischen Gründen für den Berufsweg des Rechtsanwalts entschieden.

Hoch gelobt wurde der charismatische Physikprofessor für seinen exzellenten, klar verständlichen Vortragsstil, mit dem er eine ganze Physikergeneration prägte. Sein Schüler und Nachfolger Hans Thirring erinnerte sich in seinem Nachruf auf Friedrich Hasenöhrl 1916 an Seminarübungen, in denen der „Kontrast zwischen Dozierenkönnen und Nichtkönnen“ am deutlichsten ins Auge stach. Die Studierenden mussten über selbst gewählte Themen referieren. „Da kam es dann recht häufig vor“, so Thirring, „dass einer von uns Jüngeren an der Tafel stand und mit großem Rechenaufwand die wüstesten Formeln entwickelte, während wir anderen hilflos in der Bank saßen, unfähig, dem Gedankengang der Rede zu folgen. Dann stand Hasenöhrl auf, sagte in vier, fünf Sätzen, um was es sich handle, und nun fiel es wie Schuppen von unseren Augen, so klar traten die Zusammenhänge zutage.“

Hasenöhrls Vorlesungsreihe über Theoretische Physik dauerte sechs bis sieben Semester und behandelte neben den klassischen Themen auch die neuesten, teils noch keineswegs anerkannten modernen Gedankengebäude wie die Relativitätstheorie, die er als einer der Ersten überhaupt vortrug. Seine Studenten, darunter Paul Ehrenfest, Erwin Schrödinger und Hans Thirring, kamen somit sehr früh mit den damals noch leicht abstrus wirkenden physikalischen Theorien in Berührung. Sie setzten sich mit diesen Modellen kritisch auseinander und verfassten dazu Arbeiten, als die meisten Physiker noch die Nase rümpften und etwa mit der Relativitätstheorie wenig anfangen konnten.

1914 wurde mit dem Kriegsausbruch schlagartig alles anders. Beim jungen Physikprofessor machte sich die in seiner Familie verankerte Verbundenheit mit der Monarchie bemerkbar. Er meldete sich aus Pflichtbewusstsein und Patriotismus sofort freiwillig zum Militärdienst – bei der Kraftfahrertruppe, denn er besaß damals bereits ein Automobil. Ende 1914 wurde er dem Festungskommando Krakau als physikalisch-technischer Referent zugeteilt. Ähnliche Aufgaben sah das Vaterland für die meisten Hochschullehrer der Physik, Chemie und Technik vor, schließlich bestand kein Interesse daran, die klügsten Köpfe an der Front zu opfern.

Doch Hasenöhrl hielt es nicht hinter der Front. Er setzte alle Hebel in Bewegung, um zum 14. Infanterieregiment versetzt zu werden. Sein Ansinnen hatte Erfolg. Am 20. Juli traf den inzwischen zum Kommandanten eines Marschbataillons des 14. Infanterieregiments beförderten Hasenöhrl bei Kämpfen am Monte Piano eine Gewehrkugel an der rechten Schulter. Kaum genesen, kam er nach Folgaria in der Provinz Trient, wo seine Kompanie die Italiener zurückdrängen sollte. Ein Granatsplitter tötete den 41-jährigen Hasenöhrl am 7. Oktober 1915 durch einen Treffer am Kopf. Drei Tage später wurde er auf dem Ortsfriedhof von Folgaria beerdigt.

Sein früher Tod schockierte die im Hochschulwesen Tätigen. Immerhin hatte Hasenöhrl als großer Hoffnungsträger auf dem Gebiet der Theoretischen Physik in Österreich gegolten. Der Kaiser persönlich schrieb der Witwe einen Beileidsbrief. Der Brief kam übrigens früher bei ihr an als die Benachrichtigung von der Front. Heute ruhen die Überreste Hasenöhrls auf dem Friedhof von Altmünster in Gmunden.

Nach seinem Tod gerieten Hasenöhrls wissenschaftliche Verdienste zusehends in Vergessenheit. Namen wie Einstein, Planck, Heisenberg, Pauli und Bohr dominierten den Fortschritt in der Physik. Hasenöhrls Nachlass ist bis heute verschollen, was die Beurteilung seiner fachlichen Bedeutung zudem erschwert. Dennoch wird immer wieder die Forderung erhoben, dass man das Masse-Energie-Prinzip fairerweise Hasenöhrl-Einstein-Prinzip nennen solle.

Erst Anhänger der deutschen Physik, unter ihnen Philipp Lenard und Johannes Stark, riefen den Namen Hasenöhrl wieder ins Gedächtnis, wenn auch auf höchst fragwürdige Weise, denn die nationalsozialistisch geprägten Vertreter bezichtigten Albert Einstein des Plagiats. Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet Hasenöhrl wieder in Vergessenheit. Eine Büste im Arkadenhof des Hauptgebäudes der Universität Wien erinnert noch an ihn.

Im Jahr 2013 fand der Name Friedrich Hasenöhrl neuerlich Niederschlag in den Medien, als zwei amerikanische Physiker, Stephen Boughn vom Haverford College in Pennsylvania und Tony Rothman von der Princeton University in New Jersey, den Beitrag des Wieners auf dem Weg zu Einsteins Formel unter die Lupe nahmen und seine Arbeiten aus den Jahren 1904 und 1905 analysierten. Mit der Formel E=mc2 wird dennoch für alle Zeit Albert Einstein in Verbindung gebracht werden. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2015)

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