Wo „Hellas“ nur noch Zunder ist

Meine Schachtel Orient und andere Rauchangelegenheiten– samt einer zigarettenkurzen Anekdote.

So lang ist es nun auch wieder nicht her, dass man die Welt teilen konnte in Raucher und Nichtraucher. Hinzugekommen ist inzwischen die Gruppe der Nichtmehrraucher, die mittlerweile größer ist, als es die der Raucher je war. Man kann heutzutage ja niemanden mehr damit beeindrucken, dass man es aufgegeben hat, und vorbei sind die stolzen Momente, wo jemand einem das genaue Datum der „Letzten“ nannte, als habe das die gleiche Bedeutung wie das Datum von Geburt, Matura oder Hochzeit. Interessanter ist doch eigentlich die Erste, wieso merken sich nur so wenige dieses Datum? Dass die erste Zigarette nicht schmecken kann, das weiß man doch, warum man sie aber trotzdem anzündet, das ist doch der entscheidende Punkt. Mit meinem Großvater hatte ich vereinbart, bis Schulende nicht zu rauchen, ich bekam dafür eine respektable Summe, mit der ich mir meine erste Italienreise leisten konnte.

Bei Einladungen beobachte ich bisweilen die leichte Überwindung des Gastgebers, der den letzten Sündern den Weg zum Balkon zeigt, wo sie einen Aschenbecher aus dem 20. Jahrhundert mit französischer Apéritif-Werbung vorfinden, den der Gastgeber vor sehr langem in den Deux Magots hat mitgehen lassen.

Ach ja, das Raucherzimmer

Wenn man in älteren Romanen liest, dass die Herren nach dem Essen ins Raucherzimmer „hinüberwechselten“, dann klingt das heute fast so, als ob die feinen Leute damals ein Bordellzimmer für die männlichen Gäste gehabt hätten, das niemals von einer der geladenen Damen betreten würde. Irgendwann fingen ja auch die Frauen an zu rauchen, aber mir fällt kein Buch ein, in dem auch sie ins Raucherzimmer gegangen wären – es ging wohl doch mehr um unfeine Witze und Geschäfte. Im Film noir der Dreißiger- oder Vierzigerjahre fragt man gar nicht erst, ob der andere raucht: Man hält die Packung hin, und der/die andere nimmt sich eine. Dann das schöne Ritual des Feuergebens, bei dem die hohlen Hände der Flamme ein schützendes Dach bauen, auch wenn man im Haus ist, als Sinnbild für eine soeben begründete wunderbare gemeinsame Zukunft.

Natürlich oder nicht, auch ich war einmal Raucher, und ich hab alles geraucht, was qualmte: Pfeife – weiß noch jemand, was das war? –, Zigarre, Zigarillo, Zigaretten, mein Gott, die Auswahl war grandios! Letztere brachte ich mir stangenweise aus Griechenland mit, das war eine Orient-Zigarette aus der Zeit, als Griechenland noch etwas zu exportieren hatte (wobei aber die Griechen selbst zunehmend Virginia-Tabake rauchten). Meine Marke hieß „Hellas“, war natürlich eine Orient und in einer sehr schönen flachen Schachtel verpackt, auf der vor schwarzem Hintergrund ein goldener antiker Tempel mit untergehender Sonne zu sehen war. Eine Schachtel habe ich noch, sogar eine volle, und ich bin versucht zu sagen: Wenn Griechenland es geschafft hat, dann rauche ich wieder eine. Dürfte allerdings inzwischen ein ziemlich trockener Zunder sein . . .

Die Schachtel kam mir erst kürzlich wieder in die Finger, und dabei fiel mir eine kleine Privatanekdote ein, die mir öfter in den Sinn kommt, als es Sinn hat. Ich hatte vor langer Zeit eine Mitarbeiterin, die mich eine Zigarette aus der Schachtel nehmen sah, auf die sie bewundernde Blicke warf. Sie bat mich, ob ich ihr sie schenken würde, sobald sie leer wäre, sie sei so schön. Natürlich versprach ich es ihr, und zwei Tage später nahm sie sie begeistert entgegen. Weitere zwei Tage danach sah ich sie im Vorbeigehen – in ihrem Papierkorb. Lächerlich, einerseits. Andererseits . . . ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2015)

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