Róbert der Erste zu Košice

„Expedition Europa“: zur Audienz beim Roma-König.

Es war erst im April vergangenen Jahres, dass ich in der ostslowakischen Großstadt Košice die Krönung des ersten slowakischen Roma-Königs genießen durfte. Ein Jahr später muss ich lesen, dass sich im ungarischsprachigen Südwesten der Slowakei schon die ersten Königsmörder zusammengefunden haben. Gewiss bemerkte ich auf dem Krönungsfest die Spaltung zwischen den Stammesverbänden der traditionellen Olah und der slowakisierten Romungri, aber dem frisch gewählten König wegen angeblicher Untätigkeit gleich ans Bein zu pinkeln? Persönlich glaube ich, dass den Roma-Kulturen ein Schuss Gottesgnadentum mehr hilft als die sozialbürokratischen Abstraktionen westlicher NGOs. Ich jedenfalls schaue den Juwelier und Immobilienhändler aus Košice als Majestät an. An einem sommerlichen Vormittag suche ich ihn zu Hause auf.

Róbert der Erste, 43 und rundlich, empfängt mich im Seidenpyjama. Er bekreuzigt sich vor den Statuen der Gartenkapelle und lädt mich in seinen überdachten Vorgarten. Es hängt ein Foto von seinem Söhnchen Tito und ein Foto des Königs mit der vier Kilo schweren Krone, digitalhell seine helle glänzende Haut unterstreichend. Ich erwähne dankbar die königlichen Gesandten, die nach Mitternacht weitere Kartons Hennessy-Cognac auf das Krönungsfest schafften. Er grinst. Das Ganze hat ihn eine halbe Million gekostet. Er erklärt, dass er dem Olah-Stamm der Lovari angehört, „dem höchsten Adel“.

Zugegen ist auch der „Kanzler“, ein junger Rom mit Hochschulabschluss. Der König – „ich habe für alles meine Teams“ –lässt den Kanzler kurz sein Programm ausführen. Der äußert das Übliche, „wir brauchen einen komplexen Ansatz“. Wie so oft setzt der Hausherr dabei eine abwesend-angewiderte Miene auf.

„Martinlein, mein Goldjunge“

Ich frage nach der Bilanz des ersten Jahres. „Ich bin durch ganz Europa gereist. Ich bin im Europäischen Parlament...“ Ich frage nach: „Im oder beim?“ Der Kanzler präzisiert: „In der Nähe.“ Es sind drei Modi, zwischen denen der König hin und her springt. Zum Ersten sind das dramatische Appelle: „Unser Volk verreckt! Man schmeißt sie aus den Plattenbauten raus, jetzt haben wir nackte Kinderim Wald!“ Zum Zweiten sind das gewogene Reden von wertkonservativer Väterlichkeit: „Als die Roma nach Europa gekommen sind, sind sie mit einem König gekommen. Da wir Christen sind, fordere ich von den Vajdas, dass sie zur Roma-Kultur zurückkehren. Ich lehre sie moralisch, wie sie leben sollen. Ich brauche nicht zu lesen, ich habe das im Blut.“

Zum Dritten feuert der Mann im Pyjama Schimpftiraden ab. Der Bürgermeister von Košice ist ein „ordinärer Kadaver“. Das meiste Fett kriegen Roma ab, „die unter die Weißen gegangen sind und seither nicht mehr in ihre Haut passen“. Den Roma-Bevollmächtigten der slowakischenRegierung nennt er einen „millionprozentig gekauften Schergen“: „Ich habe ihm Zusammenarbeit angeboten, er hat mich hintergangen.“

„Martinlein, mein Goldjunge“, schmeichelt er mir oft, „wenn du irgendwo auf der Welt ein Problem hast, schicke ich dir meine Abordnung.“ Meinen Einflussüberschätzt er. So fragt er mich, ob ich ihn nicht mit der Queen zusammenbringen kann. Und der Versuch, ihn zu stürzen? „Niemand kann den König abwählen“, sagt er. Die Intrige habe der Roma-Bevollmächtigte eingefädelt, weil sich der König gegen den Handel mit Roma-Wahlstimmen gestellt habe. Der Kanzler – er ist bloß ein unbezahlter Helfer – fährt mich hinterher ins Zentrum. Wieder einmal bleibe ich mit jenem verfahrenen Gefühl der Vergeblichkeit zurück. Nur ein paar königliche Sätze klingen nach: „Wir Roma sind europäisiert. Wir sind europäischer als ihr. Ihr haltet das nicht auf. Wir bringen Kinder auf die Welt.“ ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2015)

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