Es geht um die Macht.

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Themenbild(c) FABRY Clemens
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Von der Gleichheit. Von der Ungleichheit. Von den Kolonialisierern. Von der Frauenbewegung. Und was die Entscheidungen des österreichischen Werberats darüber erzählen.

Wie immer. Es geht um die Sprache und wie die Grammatik als Medium der Macht funktioniert. Wenn Sie als Grundlage einer Diskussion ein Oppositionspaar wie gleich und ungleicheinsetzen, bauen Sie ein sprachliches Territorium, in dessen Grenzen sich die Diskussion bewegen soll. Das ist der übliche Vorgang eines auf die Spitze getriebenen arbeitsteiligen Denkens, das Themen umkreist und sich nicht am Fortgang einer Community oder einer Biografie orientiert. Diese Art der Konstruktion von Denken gipfelt in dem, was wissenschaftliches Denken genannt wird. Die Literatur ist seit dem 18. Jahrhundert damit beschäftigt, sich diesem Denken entgegenzustellen und die gelebte Erfahrung und damit den Fortgang der Zeit in Bezug auf die zu lebenden Leben nachzuvollziehen. Wir könnten also sagen, dass die Literatur sich immer mit dem unvermeidlichen Ende, also dem Tod beschäftigt, während wissenschaftliches Denken, die Zeit ausschließend sich für das jeweilig gewählte Territorium Todlosigkeit imaginieren kann.

Wir wissen, dass eseine solche Überlegenheit nicht gibt. Die hübscheste Abstraktion entfremdetsten Denkens nach der 25. digitalen Revolutionund dem 77. endokrinologischen Durchbruch mit der Möglichkeit, 300 Jahre alt zu werden. Es wird die Endlichkeit nicht hintergangen werden können. Und. Es ist diese Endlichkeit, die unsere Gleichheit begründet. Es ist der Tod, der uns bewusst, uns von Anfang als Gleiche fasst. Das Sterben wird jeder Person eigen vollkommen unterschiedlich sein. Der Tod ist für alle gleich. Jede Wahrnehmung eines anderen Menschen birgt dieses Wissen. Und. Es ist die Ideologisierung dieser Wahrnehmung, die sich eben dieses Wissen zunutze macht. In der Ver-Anderung (othering) wird dieses Wissen dazu benutzt, den Tod der anderen menschlichen Existenz sich als Besitz anzueignen. So könnten wir sagen, dass wir uns durch unsere wirtschaftliche Verstrickung in die Ausbeutung von Menschen und Resourcen, in den Besitz des Tods allerFlüchtlinge und aller an unserer Ausbeutung zugrunde gehenden Personen versetzen.

Denn. In den Diskussionen um dieFlüchtlinge in unserem Land oder in Europa überhaupt geht es genau darum. Wem gehört der Tod dieser Personen, und werden wir in der Lage sein, diesen Personen ihre Gleichheit zurückzugeben und uns damit dieses Besitzstands zu entledigen.

Denn. Wenn wir in Oppositionspaaren wie gleich und ungleich weiter sprechen,dann üben wir zunächst nur in der Grammatik die Auslöschung von allem aus, das nicht in die Kategorie Gleichheit fällt. Die Bildung der Opposition von gleich mit der Hilfe des Präfixes un verneint zwar zunächst nur den abzuleitenden Begriff. Un ist eine eher schwache Verneinung und wird korrekt nur dann angewandt, wenn es keinen Oppositionsbegriff zum abzuleitenden Begriff gibt. Un wird im Bereich der Empfindungs-, Neigungs-, Vergleichsadjektive angewandt. Es sind dann Entsprechungsadjektive, die mit un verneint werden können. Aber. Unsere sozialen Skalen werden durch diese Adjektive gebildet. Der öffentliche Raum wird so umschrieben.

Wenn wir also nun dasOppositionspaar gleich– ungleich bilden, sprechen wir nur von der Gleichheit und verschieben alles, was nicht als gleich erkannt werden soll, in die Nichtexistenz. Wir könnten ja auch als Opposition zu gleich einsetzen: unterschiedlich, verschieden, vielfältig. Das Synonymwörterbuch führt an: anders, andersartig, asynchron, differenziert, divers, konträr, schwankend, separat, unterschiedlich. Das un als Präfix kann also nur die Bestätigung des Ableitbegriffs bewerkstelligen. Damit wird alles, was nicht gleich ist, unbesprechbar. Das ist dann jene Ver-Anderung, die mit dem Einschluss in eine Gruppe arbeitet und durch den Einschluss den Ausschluss aller anderen vollzieht, ohne weiter darüber sprechen zu müssen.

Es ist die stärkere Verneinung durch das Nicht, das den Blick auf diesen Vorgang freigibt und dem Nicht-Gleichen zur grammatikalischen und lexikalischen Existenz verhilft. Wenn wir sagen, dass etwas gleich ist und etwas anderes nicht gleich, dann ist für beide Beispiele eine Existenz anzunehmen. Sagen wir, etwas ist gleich und etwas anderes ungleich, dann existiert nur das Gleiche, während das Ungleiche durch das Gleich beschrieben, nur im Abgeleitetsein vorliegt. Also gar nicht.

Es geht darum, in Vielfalt zu sprechen, um einer Vielfalt überhaupt zur Existenz zu verhelfen. Und. Es wird darum gehen, die Linné'schen Kategorien der Gleichheit auch in der Alltagssoziologie unserer Mediensprachen zu überwinden und eine basale Gleichheit der Personen so eng zu fassen, dass es nur um den allerersten Wahrnehmungsschritt gehen muss und danach sofort alle Vielfalt von Leben ausgebreitet werden kann. Diese Gleichheit, die nicht einer Ungleichheit gegenübersteht, sondern die Vielfalt menschlichen Lebens grundiert, die sollte dann Grundlage eines Verfassungsdenkens sein. Alle sind gleich und dann gleich nicht gleich und in ihrer jeweiligen Autonomie zu berechtigen.

Wirklich ausgesprochen wird Gleichheit nicht. Zwar sind es nur drei Staaten, die sich dazu bekennen, keine Demokratie zu sein. Der Vatikan, Saudi Arabien und Brunei. Etwas mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in nicht demokratisch verfassten Staaten. Aber auch in den Demokratien. Es wird nie ausdrücklich gesagt, dass alle Menschen gleich sind. Die Gleichheit wird dem Recht gegenüber definiert. Diese Gleichheit bezieht sich auf die Zugehörigen. Immer geht es um die Eingrenzung der Zugehörigkeiten zu Staaten und damit um die Ausgrenzung aller, die nicht in diese Zugehörigkeiten fallen.

In der EU-Charta etwa wird, wie in vielen anderen ähnlichen Texten politischer Selbstdefinition, die Würde der Person als Grundlage der Berechtigtheit der Person herangezogen. Darin folgt die EU-Charta derUN-Charta der Menschenrechte. Diese Würde wird in den einzelnen Paragrafen elaboriert, um dann in den „Allgemeinen Bestimmungen über die Auslegung und Anwendung der Charta“ ebendiese Würde und dieGleichheit dem Recht gegenüber als Angelegenheit der einzelnen Staaten diesen Staaten zu überlassen beziehungsweise den (wirtschaftlichen) Zielen der EU insgesamt zu unterstellen.

Ich denke, alle leben einerseits in der Vorstellung, dass alle Personen gleich sind, und andererseits ist es eine der Erfordernisse der äußeren Wirklichkeit, diese Gleichheit durch Besitz, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, körperliche Beschaffenheit, Farbeder Haut, Alter oder überhaupt äußere Merkmale eingeschränkt vorzufinden. Das wird – jedenfalls in unserer Kultur hier – als selbstverständlicher Widerspruch einer immer schon ausschließend gedachten Ungleichheit gelebt. Damit wird eine Herrschaft des Besitzes, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung und des Aussehens der Person widerspruchslos anerkannt.

Als Indikator für diese Widerspruchslosigkeit könnten wir die Tätigkeit des österreichischen Werberats heranziehen. Jeder Versuch, zum Beispiel eine Kultur der Verdinglichung des weiblichen Körpers und damit die Herstellung von Ungleichheit durch Normsetzung eines chauvinistischen Schönheitsideals oder einer aggressiven Ver-Anderung der Nicht-Zugehörigkeit durch Besitz, Geschlecht, Religion und körperliche Beschaffenheit einzusprechen, wurden jeweils mitder Begründung abgelehnt, dass die dargestellten Sujets im Rahmen eines gesellschaftliche Anerkannten verblieben.

Es muss also die Frage gestellt werden, wer definiert, was gesellschaftlich Anerkanntes ist. Und. Wir kommen mit diesem Beispiel an genau die Grenze, die die Gleichheit von der Nicht-Gleichheit trennt. Denn. Während meine amerikanischen Freunde die hiesige Plakatkultur als „liberal“ bewundern,macht mich die Vernutzung der Darstellung weiblicher Körper für den Verkauf von Unterwäsche und die Benutzung pornografischer Darstellung für den Verkauf von Eintrittskarten in diverse Museen als Objekt des Hiesigen zur Ungleichen.

Die Sprechmacht in Österreich ist – jedenfalls auf den Plakatwänden – damit beschäftigt, Ungleichheiten zwischen den Personen in Hierarchien der Akzeptanz zu zementieren. Und ja, ja. Die Freiheit der Äußerung. Dem österreichischen Werberat zufolge liegt diese Freiheit bei denen, die die Plakate bezahlen. Und ja, ja. Die Freiheit der Äußerung. Gerade Wahlplakate für demokratische Wahlen müssten, dem Gleichheitsgrundsatz unserer Verfassung folgend, sich jeder Diskriminierung enthalten. In beiden Fällen. Der Darstellung der Person als Ware oder die Diskriminierung politisch Unerwünschter. Die Ungleichheit wird eine wirtschaftsgegebene oder politische Selbstverständlichkeit. Es gibt jedenfalls keinen Willen. Jedenfalls keinen Willen der Eliten, diesen Widerspruch zwischen politisch-demokratischem Anspruch und ökonomisch-politischer Lebenswirklichkeit zu besprechen. Wie die Arbeit des österreichischen Werberats beschreibt, geht es im Gegenteil darum, diesen Widerspruch als unbesprechbare Grundierung der Welt zu erhalten. Es geht genau darum, die Gleichen durch die Ungleichen zu definieren und damit die Eliten in aller Selbstverständlichkeit zu beschreiben.

Aus der Geschichte dereuropäischen Kolonialisierung der Welt wissen wir, dass es darum ging, sich die Macht über die zu Kolonialisierenden in derWeise zu verschaffen, dass diese zu Kolonialisierenden zur Disposition standen. Das hieß, dass alle Lebenswirklichkeiten dieser anderen in die Sprache der Kolonialisierer gezerrt und dabei, strikt auf die Lebenswirklichkeit der Kolonialisierer bezogen, fragmentiert wurden. Damit wurde der innere Zusammenhang der überfallenen Kultur, in die Sprache der Kolonialisierer gefasst, zerstückelt. Die mit diesem Vorgang hergestellten Fragmente dienten dann dazu, die Kolonialisierung der zu Kolonialisierenden zur Sprache zu bringen und damit auch durchführen zu können. Bei Kolonialisierung geht es immer um die Macht der Kolonialisierer. Die zu Kolonialisierenden werden so zum Material dieses Vorgangs gemacht. Der Tod dieser zu Kolonialisierenden wurde in den Besitzstand der Kolonialisierer aufgenommen. Es ist ja nie das Leben, um das es dann geht. Gleich ob die Kolonialisierer den „edlen Wilden“ bewundern oder die zu Kolonialisierenden nur in den Zahlen der Verkaufsmöglichkeiten sehen. In jedem Fall wird der Kolonialisierer reicher. Wie auch immer.

Wenn wir auf das Beispiel der österreichischen Plakatkultur zurückgehen, dann sehen wir, dass es heute darum geht, diese Kolonialisierung jeweils an sich selbst durchzuführen. Sei es nun Gleichgültigkeit nach dem zehnten Palmersplakat mit einem sich in sexueller Erregung den Beutevorstellungen eines abstrahierten Werbungsmachismo andienenden Model oder dem 25. Plakat eines gereimten Fremdenhasses. Oder sei es jedesmal ein Ärgernis. Die strukturelle Ohnmacht, wie sie durch den österreichischen Werberat hergestellt wird, zwingt zu einer Akzeptanz dieser Botschaften einer werbegewollten Ungleichheit. Demokratischerweise hätten alle diese Sujets Gegenstand einer Auseinandersetzung zu sein. Eine Auseinandersetzung müsstedas sein, in der alle Betroffenen gehört würden. Eine solche Auseinandersetzung müsste dann ein Ergebnis zeigen und nicht – weil nichts ändernd – in die Resignationsecke der europäischen Demokratien führen, in denen Millionen Personen gegen den Irakkrieg demonstrieren konnten und der Irakkrieg dennoch stattfand.

Im Grund sprechen wir hier von dem, was Donald Trump gerade bekämpft. Demokratie kann nur auf politischer Korrektheit aufbauen. Demokratie hat eben auch sehr langweilige, jedenfalls un-unterhaltende Aspekte. Es ist interessant, dass Donald Trump jedesmal, wenn er wieder eine seiner politischen Inkorrektheiten herausgeschrieen hat. Dass er dann sagen muss, dass er reich genug sei, genau diese Diskriminierungen sagen zu können. Es sieht so aus, als mache der Reichtum Donald Trump sehr wütend. Ja. Es könnte sogar der Verdacht entstehen, dass eine bestimmte Art von Elite keine andere Art der Existenz als die ihre aushalten kann. Das wäre dann eine elitäre Gleichheit, in der sich faschistische oder oligarchische Gruppen zusammenfinden können, die ihre Weltbeherrschungsfantasien dann wiederum auf Plakate aufdrucken lassen können. Am Ende. Es geht um die Macht.

Es ist also bisher noch nie um Gleichheit gegangen. Wenn wir die Geschichte der Frauenbewegung betrachten, die als die große soziale Bewegung nach dem Zweiten Weltkrieg eine Vorstellung von der Gleichwertigkeit der Geschlechter durchsetzen wollte. In unserem Staat wurde diese Gleichwertigkeit durchgesetzt. Alle Gesetze sind dieser Forderung angepasst. Aber. Gesellschaftlich strukturell ist diese Durchsetzung nicht erfolgt. Wir könnten hier wieder auf das Beispiel der Plakatkultur zurückgreifen. Gesellschaftlich wird die Ungleichheit von den verschiedensten Eliten zu ihrer Erhaltung aufrechterhalten.

Wenn ich also in eine Ambulanz komme und dort eine misogyne Person an der Aufnahme sitzt, die meine Anliegen ohnehin schon in ihrem eigenen diskriminatorischen Schema einordnet, dann werde ich wenig Chancen haben, die Hilfe zu bekommen, die ich benötige. Selbst bei einer Frage auf Leben und Tod greift ein solches Schema. Die Frage ist nun,wie sollen Personen, die in Kulturen leben, die die Gleichheit der Person wissentlich nicht verfolgen, wie sollen solche Personen Gleichheit leben.

Wie soll also zum Beispiel die triage nurse diese Gleichheit bei der Aufnahme von Patienten und Patientinnen welchen Geschlechts und welchen Besitzes und welchen Körpers auch immer einsetzen, wenn es keinen gesellschaftlichen Konsens dazu gibt. Kann eine solche Trennung überhaupt gelebt werden. Eine im Beruf Gleichheit durchsetzende Person, die in ihrer eigenen Lebenswelt allen Arten von Ungleichheitsverkündigungen und -maßnahmen ausgesetzt ist und solche selbst lebt.

Es geht also ganz sicher um eine andere Politik. Wie aber kann die Gleichheit der Person so formuliert werden, dass sie schon vorhanden ist und nicht erst durch eine Begriff wie Würde garantiert wird. Ein Begriff ist das, der der Eliteninterpretation unterliegt. Wieder können wir den österreichischen Werberat als Beispiel dafür nennen. Ein Begriff ist das, auf den nicht verzichtet werden kann, der aber durch die vielen und auf vielen Ebenen stattfindenden Aufträge der Selbstkolonialisierung der Person in unseren westlichen Kulturen durch die neoliberale Globalisierung und Verwirtschaftlichung unserer Leben in die Dienstleistungsgesellschaft und deren Fassung in Daten anstelle von Biografien wie alle anderen Institutionen bedeutungslos gemacht wurde. Ich möchte mich auf Judith Butler beziehen, die mit ihrem Begriff des „betrauerbaren Lebens“ nämlich auch jene Personen erfassenkann, die in Migrations- und Flüchtlingsverhältnissen oder im Prekariat der Globalisierung Würde nurals ebendiese leere Hülse erleben können.

Und darum geht es. Die Begriffe werden erlebt. Wir müssen uns immer vorAugen halten, dass alleGesetze und Maßnahmen dann auch gelebt werden müssen. Auch hier erscheint mir eine Spaltung in eine Theorie der Zugehörigkeiten vorzuliegen und in eine verleugnete Wirklichkeit. Wäre Gleichheit ein Begriff, dann würde keine Ausgangssperre in Traiskirchen verhängt werden können, denn jeder und jede würden verstehen, dass jeder und jede aus so einem Kasten von Gebäude, wie das in Traiskirchen der Fall ist, herauskommen, Straßen entlanggehen und so etwas wie Öffentlichkeit, jedenfalls ein Draußen erleben können müssen.

Gleichheit bedeutete ja eine basale Anerkennung der Zugehörigkeit Mensch. Zuallererst müsste jede Person einmal als gleiche aufgefasst werden. Judith Butler schlägt für die heutigen Weltverhältnisse vor, dass es darum geht, dass jeder Mensch als Person betrauert werden können muss. Und. Dass jede Person von sich wissen können muss, dass sie betrauert werden wird. Dass also das Leben, während es gelebt wird, als lebendiges Leben stattfinden kann und nicht als ein wie auch immer gelenktes, besessenes oder in Erniedrigung gebundenes Leben gelebt werden muss.

Ein Leben ist das, das schon während des Lebens nicht mehr ist. Es benötigt Selbstbestimmtheit und ein Wissen der Anerkennung des eigenen Lebens in der Sicherheit der Gleichheit, um Lebendigkeitherstellen zu können. Eine Lebendigkeit, die den Tod in seiner Einmaligkeit bestätigt und nicht dem Gestorbensein im Leben Platz gibt. Und ganz sicher darf es nicht so sein, dass dieser Tod schon in einen Besitzstand anderer eingebracht ist.

Dafür aber müssten nun alle als Gleiche angesehen werden, um dann, im nächsten Schritt in der Realität, die Vielfalt der Personen überhaupt erkennen zu können. Es benötigte die Ablösung von allen Konzepten der Kolonialisierung und ein völlig leeres Sprechen, um nicht in die Selbstbezüglichkeit der Kolonialisierer zu verfallen und alles immer nur aus den eigenen Kriterien zu beurteilen. Es würde dann Vielfalt das Schönheitsideal. Das hieße für unser Beispiel, dass nicht ein Sujet auf 10.000 Plakaten abgebildet wird, sondern, dass 10.000 Sujets auf diesen 10.000 Plakaten aufscheinen müssten. Gleichzeitig müssen wir Sicherheit in unserer eigenen Kultur fassen, um uns selbst diese Gleichheit erteilen zu können. Es ist ja meist fehlende Großzügigkeit sich selbst gegenüber, die zu diesen Engen des Rassismus führt.

Und. Es wird eines Entschlusses bedürfen. Kein Naturgesetz wird diese Gleichheit mitbegründen können. Keine Wirtschaftlichkeit wird aus Kostengründen Gleichbehandlung nach sich ziehen. Keine Religion kann auf ihre missionarischen Wünsche wirklich endgültig verzichten. Es wird ein Akt des politischen Willens sein müssen, die Welt gerecht eingerichtet sehen zu wollen. Denn. So, wie es im Augenblick ist. Schon der Zugang zu den Resourcen wie Luft oder Wasser ist nicht gesichert. In weiten Teilen der Welt – und fast immer auf der Basis der durch die Kolonialisierung hergestellten Verhältnisse – sind Personen nicht gleich genug, sauberes Wasser trinken oder klare Luft atmen zu können. Personen sind nichtgleich genug und müssen deshalb in Riesenströmen über die Welt hinwandern. Und unbetrauert so. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2015)

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