„Frech, wie ich bin“

Zwischen 1970 und 2006 absolvierte er in seinem Einmanntheater am Wiener Schwedenplatz 6142 Solovorstellungen: Herbert Lederer, Jahrgang 1926, über Begegnungen mit Bert Brecht, Helene Weigel, Gustav Manker und sein erstes Engagement – in Sankt Pölten.

Herbert Lederer, der zwischen 1970 und 2006 im gemeinsam mit seiner Frau, Erna Perger, betriebenen Einmanntheater am Wiener Schwedenplatz 6142 Solovorstellungen absolviert hat, feierte im vergangenen Jahr seinen 90. Geburtstag. 1926 in Wien geboren und nach der Matura zur Wehrmacht eingezogen, kam er nach kurzer amerikanischer Gefangenschaft im Juni 1945 nach Wien zurück.

Ich bin sofort zur Universität gegangen und habe geschaut, was es da alles gibt: Theaterwissenschaft, Germanistik. Ich habe mir Geld ausgeborgt, damit ich inskribieren kann. Meine erste Vorlesung, das war bei Professor Castle, den ich eigentlich sehr geschätzt habe, der hat zwei Semester „Geschichte des Burgtheaters“ gelesen. Ganz penibel, ganz genau. Es war wirklich sehr interessant, aber ein bisschen viel Theorie. Da habe ich mir gedacht, man muss etwas Praktisches lernen: Schauspiel. Das Reinhardt-Seminar war mir neben dem Studium zu tagesfüllend. Im Konservatorium war der Leopold Rudolf, und ich habe von Anfang an gewusst: So muss man es machen!
Er war auch ein sehr guter Lehrer – nur leider sehr kurz, weil dann die großen Rollen für ihn in der Josefstadt kamen. Aber ich habe auch bei seinen Nachfolgern eine Menge gelernt. Da gab es einen Burgschauspieler, Helmuth Krauss, dem habe ich gesagt, ich möchte die Gewerkschaftsprüfung machen. Ich habe ja kein Geld gehabt. Er hat gemeint, nachdem ich ihm gezeigt hatte, was ich kann: Machst einen Monat bei mir, zweimal in der Woche, und dann stelle ich dir für das halbe Jahr das Zeugnis aus. So konnte ich die Gewerkschaftsprüfung ablegen.
Dann habe ich Professor Castle gesagt, ich würde gerne eine Dissertation über das Moskauer Künstlertheater schreiben, da gibt es in Deutsch gar nichts. Castle, ein jovialer alter Herr, hat mich später zum Rigorosum zu sich nach Hause eingeladen, um halb acht in der Früh. Wir haben uns über eine Stunde unterhalten. Er war immer noch wissbegierig und neugierig. War wunderbar, bei dem zu arbeiten.
Schnell in ein ganzjähriges Engagement: St. Pölten. Da war ich 1948 bis 1950. Ich war dort alles, auch Dramaturg. 1949 war das Goethejahr zu feiern, und da habe ich gesagt, wir müssen unbedingt „Faust I“ spielen. Der Direktor war ein Operettenmann, aber ich habe durchgesetzt, dass St. Pölten im 49er-Jahr den „Faust“ gespielt hat. Hätten wir lieber nicht tun sollen, sage ich jetzt hinterher. War schrecklich.
Sonst gab es jede Woche eine Operette. Ich war auch Regieassistent, das habe ich ganz gerne gemacht, denn da waren damals zwei Routiniers Regisseure, die immer in der Nacht nach einer Vorstellung in den Fundus gegangen sind für die nächste Operette. Von denen konnte man lernen, wie man mit nichts eine Operette ausstattet. Am Montag in der Früh ist immer der Bühnenbildner im Hof gestanden und hat mit dem Besen die Farbe von den Dekorationen abgewaschen, für das übernächste Stück: Siehe da, so geht das auch! Und dann war am Freitagabend immer Hauptprobe, man war wirklich zwölf Stunden im Theater.

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