Burkhard Bischof: China zuerst?

Bis 2021 will China den Status einer „gemäßigt wohlhabenden Gesellschaft“ erreichen. Doch wie soll das möglich sein in einem Land voller Armut und ungelöster Minderheitenkonflikte? Eine Nachschau in Xining, Provinz Qinghai.

Die Frau in der Abflugwartehalle des Flughafens Xining wird immer wütender. Plötzlich springt sie von ihrem Sitz auf, eilt zum Check-in-Schalter und beginnt mit dem dortigen Airline-Mitarbeiter ein immer heftiger werdendes Wortgefecht. Doch der junge Mann kann der inzwischen schreienden und fuchtelnden Dame nicht helfen. Der zivile Flugverkehr im Luftraum über Xining ist vorübergehend eingestellt worden, es landen und starten keine Passagiermaschinen mehr. Dass die Lady dadurch ihren Anschlussflug versäumen wird – Pech gehabt. Denn der Grund für die gut zweistündige Zwangspause des Zivilluftverkehrs ist höherer Natur: Auf einer nahe gelegenen Basis übt die chinesische Luftwaffe. Da haben die Zivilflieger eben Nachrang – schon gar in einem Jahr, in dem die Volksbefreiungsarmee ihren 90. Geburtstag feiert.

Xining, Hauptstadt der Provinz Qinghai im Westen Chinas, wird niemals einen Schönheitspreis bekommen. Die Zwei-Millionen-Stadt erstreckt sich in einem relativ schmalen Tal zwischen zwei Höhenzügen, kilometerlang reiht sich ein Hochhausturm an den anderen, dazwischen ein paar grüne Einsprengsel. Ältere Gebäude scheint es so gut wie keine mehr zu geben – und wenn, wurden sie gut versteckt –, ein historisches Stadtzentrum auch nicht. Aber dieses Bild einer Wolkenkratzerlandschaft bieten heute die allermeisten Provinzmetropolen in China. Die Hauptstadt Peking hat es ihnen schließlich vorgemacht, wo die alten Stadtviertel ebenso immer mehr zusammengeschrumpft wurden, um Platz für „die Moderne“ zu machen.

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