Unser Essverhalten oder: Wie schmeckt Moral?

Unser Essverhalten ist voller Widersprüche. Manche meinen: gestört. Den einen geht die Gesundheit über alles, anderen moralischer Korrektheitszwang, Dritten schmeckt die Heimat am besten. Sag mir, was du isst, und ich sag dir, wo du (gesellschaftlich) stehst: ein Befund.

An einem warmen Spätvormittag im Herbst schlendert ein Pärchen mit Kinderwagen und Kleinkind an der Hand über den gut besuchten Naschmarkt. Immer wieder bleibt man stehen, nimmt dankend eine Olive an, probiert ein wenig Schafkäse. Vertraut nickt man den Biostandlern zu, plaudert, kauft ein Stück Käse aus Vorarlberg. Die Wahl für die Tomaten trifft der kleine Leon; was ihm gefällt, wird gekauft.

Stunden später. Die rotierenden Lichter der Müllwagen blinken in der einsetzenden Dämmerung. Zielgerichtet schwärmen Mistkübler über den Platz. Vor ihnen eine Frau, auf den Spitzen ihrer leicht abgewetzten Halbschuhe stehend, versucht sie im tiefen Müllcontainer Brauchbares zu entdecken. Sie streicht sich einige Haare aus dem Gesicht, die ein lose gebundenes Kopftuch mit Blumenmuster zusammenhalten. Zügig geht sie bei den Standlern vorbei, klaubt halb leere Holz- und Kartonkisten auseinander, findet einen Salatkopf oder ein paar Birnen, prüft sie, steckt sie in ihre Plastiktasche . . .

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