Ist Armut unfair?

Dem Recht des Stärkeren werden äußerlich stets nur die Starken zustimmen.
Dem Recht des Stärkeren werden äußerlich stets nur die Starken zustimmen.(c) Wolfgang Freitag
  • Drucken

Ich halte die Beantwortung dieser Frage für ethisch dringlich und politisch geboten, zumal jetzt, da der in Österreich spürbar werdende „Rechtsruck“ dazu führt, Armut immer mehr als eine selbst verschuldete Lebenslage zu etikettieren.

Die Frage, ob Armut unfair sei, wurde an mich, den Philosophen, aus Anlass einer Veranstaltungsreihe herangetragen, die sich mit der „Kunst des Helfens“ befassen wollte. Daran beteiligt waren, neben der Akademie Graz, Sozialhilfestellen des Landes Steiermark sowie die Caritas und Vertretungen aus dem gewerkschaftlichen und arbeitsvermittelnden Bereich. Ich erwähne dies ausdrücklich, weil die Frage, aus dem Kontext gerissen, so klingt, als sei sie nicht vollständig gestellt und daher unbeantwortbar oder – womöglich aus ideologischen Gründen – bloß suggestiv. Ich halte die Frage aber, kontextuell eingebettet, für ethisch dringlich und politisch geboten, zumal jetzt, da der in Österreich spürbar werdende „Rechtsruck“ dazu führt, Armut immer mehr als eine selbst verschuldete Lebenslage zu etikettieren. Das ist jedoch, nach Ansicht von Fachleuten, nur zum geringsten Teil der Fall.

Die längste Zeit in der Menschheitsgeschichte war Armut – ebenso wie Luxus und Schwelgerei im Überfluss – keine Frage der sozialen, vom Menschen herzustellenden Gerechtigkeit. Noch Aristoteles, den wir als einen der besonnensten, politisch gemäßigten Vertreter der Antike kennen, vertrat die Ansicht, es gäbe Sklaven von Geburt. Diese, so sein Argument, seien unfähig, ihre eigenen Interessen wahrzunehmen, weshalb sie eines Herrn bedürften, der sie vor ihrer Dummheit und natürlichen Inferiorität schütze. Daraus folgt, dass für Aristoteles, wie für die meisten Denker bis hin zur Aufklärung, der Gedanke „naturwidrig“ gewesen wäre, demzufolge alle Menschen von Geburt an dieselben Grundrechte und Pflichten haben.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.