Die eine und die andere Welt

Internationale Kunst zu sammeln, ohne die eigenen Wurzeln zu vergessen: Das hat sich der aus Odessa gebürtige und in Wien ansässige Hedgefonds-Manager Eduard Pomeranz zum Ziel gesetzt. Wie Kunst und Geld miteinander auskommen.

Kunst gibt einem die Möglichkeit, geistig zu wachsen, weil man sich mit Sachen auseinandersetzen muss, die man nicht oder noch nicht versteht“, so der Wiener Investmentbanker und Kunstsammler Eduard Pomeranz. „Und für mich ist persönliches Wachstum ein überaus wichtiger Wert.“ Die hohe Bereitschaft des Futures-Trader, sich differenzierten künstlerischen Inhalten zu stellen, ist nirgendwo evidenter als in den Räumlichkeiten seiner Firma, FTC Capital, im Wiener Galaxy Tower. Hier, hoch über den Dächern Wiens, sind Objekte der Sammlung wechselnd ausgestellt.

Bereits das Foyer wird zur begehbaren Installation durch Joe Scanlans raumgreifende Wandarbeit „Creative Destruction in Action“ – eine Hommage an den österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter und dessen 1942 postulierte These von der schöpferischen Zerstörungskraft des Kapitalismus. Hier befinden sich Spitzenwerke wie „15 + 1“ von Francis Alÿs, eine poetische Installation zur Rekonstruktion von Geschichte, und „Kueens“, eine mit traditionellen mexikanischen Stickereien versehene Ku-Klux-Klan-Robe des New Yorker Künstlers Ignacio Gonzales-Lang. Wenige Schritte weiter provoziert die Textarbeit des jungen Rumänen Ciprian Muresan, „Communism never happened“, durch seine plakative Platzierung im Großraumbüro.

Eduard Pomeranz fing 2007 an, zeitgenössische Kunst zu sammeln. Binnen weniger Jahre gelang es ihm, eine beeindruckende Sammlung zusammenzutragen. Die erste Zeit begleitete ihn dabei Ariane Neuberger, die ehemalige Leiterin der Kunstsammlung der Bank Austria. Ihr habe er „sehr viel zu verdanken“, so Pomeranz. In diesen Anfangsjahren galt sein Interesse in erster Linie der posthistorischen Malerei. Heute steht Konzeptkunst im Zentrum der Sammlung. Topnamen der ersten Generation wie Sol LeWitt, John McCracken, Jenny Holzer und Lawrence Weiner sind ebenso vertreten wie die nachfolgenden, konzeptuell arbeitenden Künstler Douglas Gordon und Ugo Rondinone. Sein zunehmendes Interesse für neue Medien führte Pomeranz zuletzt auch zu sehr jungen Positionen. Einer dieser Künstler ist der 1980 in Paris geborene Shootingstar Cyprien Gaillard,dessen Polaroid-Serie„Indian Palm Studies“zu Pomeranz' rezenterenErwerbungen gehört.

Seit einiger Zeit steht dem Sammler Ami Barak als Kurator zur Seite. Mit dem 1952 in Rumänien geborenen Kunstkritiker und langjährigen künstlerischen Leiter der Abteilung für bildende Kunst der Stadt Paris verbindet Pomeranz eine enge Freundschaft. Mit ihm teilt Pomeranz, der als Siebenjähriger mit seiner Familie von Odessa nach Wien kam, auch die prägende Erfahrung des Migranten: „Es ist so wie im Leben: Nicht Gegensätze ziehen sich an, sondern Gemeinsamkeiten.“

Ein Blick in den 2011 erschienenen Sammlungskatalog lässt keinen Zweifel daran, dass hier ein Sammler mit musealem Anspruch am Werk ist. Verschiedenste vornehmlich internationale Positionen aus Konzept- und Postkonzeptualismus, Minimal und Performance Art werden unter den Rubriken „Bildgeschichten & Mächtige Mythen“, „Handlungen & Erinnerungen“ präsentiert und geben so Einblick in die Entwicklungen der vergangenen Jahre.

Die Sammlung orientiert sich an höchsten internationalen Maßstäben und zeigt doch viel von dem, was Pomeranz persönlich ausmacht. Ihn interessiere die künstlerische Umsetzung der Themen Migration und Fremde, denn „eine Sammlung widerspiegelt das Leben des Sammlers“.

Den Anspruch, international und auf höchstem Niveau zu agieren, stelle er in gleichem Maße an seine Sammlung und an sein Unternehmen: „Ich denke kosmopolitisch, und gleichzeitig weiß ich, wer ich bin. Das ist für mich kein Widerspruch.“ Trotz Angeboten aus dem In- und Ausland entschied sich Pomeranz dafür, seineSammlung erstmals imJüdischen Museum zuzeigen. Diese Entscheidung sei Zeichen seiner Verbundenheit mit Wien, „einer großartigen Stadt“. Zugleich ist es auch ein Tribut an die eigenen Wurzeln. Er wolle an jene jüdischen Sammler und Mäzene erinnern, die Wien um 1900 prägten, und diese einst reiche, durch die Nationalsozialisten zerstörte Sammlertradition in der Gegenwart fortführen.

Als roten Faden zwischen dem Einst und dem Jetzt sieht Pomeranz sein Engagement für die Moderne. Neue Bereiche für sich zu entdecken, Vorreiter zu sein, den „Zeitgeist von morgen“ zu antizipieren seien das Erbe, das jüdische Sammler stets auszeichnete: „Man war wirtschaftlich im Großbürgertum zu Hause, wurde aber gesellschaftlich nicht akzeptiert. Also widmete man sich der modernen anstelle der etablierten Kunst.“

Die Welten von Kunst und Finanz empfindet Pomeranz als diametrale Gegenpole. Die Kunstwelt, so der Hedgefonds-Manager, sei von Emotionen geprägt, während ihm seine berufliche Tätigkeit Ratio und absoluten Realismus abverlange. Die höhere Sensibilität von Künstlern, mitunter auch deren Naivität, erlaube ihnen, empfindsamer auf den Zeitgeist zu reagieren als Geschäftsleute. An der Begegnung mit dieser anderen Welt könne er wachsen. Mehr noch: Die Konfrontation mit Andersdenkenden gäbe ihm, dem „klassischen Liberalen in der Mitte“, die Möglichkeit, „nicht abzuheben“ und offen zu bleiben für andere Meinungen.

Pomeranz scheut sich nicht, auch kapitalismuskritische Arbeiten in seinem Büro aufzuhängen – im Gegenteil, er stellt sich bewusst der Auseinandersetzung. Die Arbeit, die ihn persönlich wohl am meisten fordere, ist aber das Video „Summer Camp“ von Yael Bartana. Die israelische Künstlerin dokumentiert darin Aktionen des „Israeli Committee against House Demolitions“. Dieses organisiert den Wiederaufbau von palästinensischen Häusern, die von der israelischen Armee zerstört wurden. Freunde hätten ihn angegriffen: Wie könne er, als Unterstützer Israels, eine regierungskritische Arbeit kaufen? Dem hält Pomeranz entgegen, es sei Aufgabe von Künstlern, sich kritisch gegenüber dem Establishment zu äußern. Die Tatsache, dass Bartana in Israel als Superstar gefeiert wird, sieht der Sammler als Bestätigung seiner eigenen, offenen Haltung: „Das zeigt Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt!“

Trotzdem, wenn Pomeranz über seine Sammlung spricht, bleibt er auffallend nüchtern: Wo sehr viel Geld auf dem Spiel stehe und schnelle Entscheidungen gefordert seien, sei Leidenschaft fehl am Platz. Dies gelte für den Kunstmarkt ebenso wie für die Börsen, die letztlich beide „den gleichen Gesetzen und Mechanismen unterliegen“.

„Ich betrachte die Kunstwelt durch die Augen und mit dem Know-how des Bankers“, sagt Pomeranz, der einen „hohen sechsstelligen Betrag“ pro Jahr in Kunst investiert. So wie auch im Finanzgeschäft hänge die Optimierung seines Kunstportefeuilles von einem diversifizierten Mix von Positionen ab. Künstler, die in der Geschichte und auf dem Markt anerkannt seien, scheidet Pomeranz von vornherein aus. Hier sei alleine der Preis „ein Knock-out-Kriterium“. Sein Interesse gelte drei anderen Sparten: Künstlern mit etabliertem Ruf, die vom Markt unterbewertet seien; Mid-career-Künstlern, deren Werk „noch leistbar“ ist; und jungen Künstlern, „emerging artists“, mit Wachstumspotenzial.

Subjektives Gefallen alleine sei kein verlässliches Kriterium. „Ich habe nicht den Anspruch, dass mir ein Bild gefällt“, so Pomeranz. „Manche Sammler sagen, ich muss ein Bild lieben. Das ist nicht mein Ansatz.“ Die Ernüchterung stelle sich schließlich spätestens beim Verkauf ein: Wenn ein Sammler ein Bild um 500.000 Euro kauft und erleben muss, das es bei der Auktion um 50.000 gehandelt wird, so der Investmentbanker, dann könne man sich das Bild „bei aller Liebe nicht schönreden“.

Trotz Ratio gibt es doch ein sehr privates Stück, von dem sich Pomeranz nie trennen würde: die Fotoserie „Back Home“ von Adrian Paci. Der aus Albanien stammende Künstler porträtierte Flüchtlingsfamilien vor der Kulisse des zurückgelassenen Zuhauses und warf dadurch einen wehmütigen Blick auf Vergangenes. Die Bedeutung dieses Stücks für Pomeranz ist kein monetärer, sondern ein ganz persönlicher. Für einen kurzen Moment blitzt etwas wie Emotion auf. Die Arbeit hat ihn tief berührt. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2012)

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