Wie viel Export verträgt der ÖSV?

Der Schweizer Ski-Verband will Toni Giger, den erfolgreichsten ÖSV-Herrenchef aller Zeiten, als neuen Alpinchef holen.

Der Schweizer Ski-Verband ist in eine Krise gestürzt – in eine schwere Krise. Die Herrenmannschaft ist dezimiert, was sich auch bei den Rennen in Adelboden schmerzlich gezeigt hat. In Wengen wird das beim Lauberhorn-Klassiker nicht viel anders aussehen, am Freitag geht es bereits weiter mit der Superkombination. Auch die Aussichten auf Edelmetall bei der Weltmeisterschaft in Schladming stehen schlecht. Von Siegerlisten ist man sehr weit entfernt.

Im Vorjahr haben die Schweizer den Österreichern noch harte Zweikämpfe geliefert. Beat Feuz gegen Marcel Hirscher avancierte im Gesamtweltcup zu einem Herzschlagfinale, Didier Cuche hat sich zum endgültigen Streif-König gemacht, Kitzbühel gleichsam zu seinem zweiten Wohnzimmer erkoren. Cuche aber ist ein Abfahrtsgeld a.D., Feuz fällt verletzungsbedingt die gesamte Saison aus. Dazu kommt, dass Carlo Janka schon lange Rätsel aufgibt, der regierende Olympiasieger befindet sich auf der Suche nach fehlenden Sekunden.

So schnell kann sich das Blatt im Skisport wenden, die Österreicher kennen diese Situation recht gut. Die ÖSV-Herren haben in den Speedbewerben in den vergangenen Jahren bei den Großereignissen auch keine Bäume ausgerissen, in Vancouver 2010 sind sie komplett leer ausgegangen.

Skitrainer aus Österreich sind dennoch sehr begehrt, viele Verbände setzten auf rot-weiß-rotes Know-how. Dies hat Peter Schröcksnadel, den mächtigen ÖSV-Präsidenten, vor gar nicht allzu langer Zeit zu folgender Aussage hinreißen lassen: „Wir haben so lange Entwicklungshelfer gespielt, bis uns die einen oder anderen überholt haben. Wir lassen keine Trainer mehr ins Ausland ziehen.“

Da die Not bei Swiss Ski groß ist, denken die Eidgenossen über Veränderungen nach. Auf der Wunschliste steht Toni Giger, einst Österreichs erfolgreichster Herrenchef aller Zeiten, seit Sommer 2010 Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung im ÖSV. Sein Vertrag endet im Frühjahr. Der Präsident des Schweizer Verbandes, Urs Lehmann, hat zwar gestern dementiert, dass man mit Giger bereits Verhandlungen aufgenommen hat, dass ein neuer Alpinchef gesucht wird, das ist allerdings ein offenes Geheimnis. „Es laufen Analysen“, sagt Lehmann, „derzeit ist aber nichts spruchreif.“

Die Schweizer wollen die Verbandsstrukturen ändern, spätestens bis zum Weltcupfinale will man Nägel mit Köpfen machen. Der zweite Wunschkandidat aus Österreich heißt Andreas Evers, er hat mitgeholfen, dass ein Hermann Maier das geworden ist, was er war. Peter Schröcksnadel wird sich entscheiden müssen, der Schweizer Verband spielt wenigstens mit offenen Karten.

E-Mail: wolfgang.wiederstein@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2013)

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