Ist es naiv, an saubere Leistungen zu glauben?

Usain Bolt hat bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Moskau über die 100 Meter seine Arbeit getan. Die Vertrauenskrise aber hält an.

Er ist der Superstar der Leichtathletik-WM in Moskau – und er ist der schnellste Mann der Welt. Ein bisschen Regen kann ihn nicht bremsen, letztlich war es ein Akt der Routine, um sich den Titel über die 100 Meter zu sichern. Alles andere wäre eine Überraschung gewesen, der Triumph im Luschniki-Stadion fiel auch nur relativ beschaulich aus. Der Ausnahmekönner siegte in 9,77 Sek., die Zeit war auf einmal auch nicht mehr so wichtig, weil die ausgedünnte Konkurrenz nicht Schritt halten konnte. Selbst die Posen wirkten verhalten, Jamaikas Titel-Abonnent hat nur das getan, was sich die gesamte Leichtathletik-Welt von ihm erwartet hat. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Bolt, der sich bekreuzigte, hat die Leute schon mehr von den Sitzen gerissen.

Der 26-Jährige hält nun bei sechs WM-Goldenen, in Moskau will er sein viertes Triple nach 2009 (WM), 2008 (Peking) und 2012 (London, jeweils Olympia) erreichen. Das Missgeschick bei der Weltmeisterschaft in Südkorea (Daegu) ist damit vergessen, und Bolt selbst sprach davon, „seinen Job erledigt“ zu haben. Ein perfektes Rennen aber sei ihm bei diesen Bedingungen nicht gelungen. Auf die üblichen Grimassen und Spompanadln wurde verzichtet, letztlich aber gab er doch die Flitzbogen-Geste zum Besten. Immerhin, die Konkurrenz hat er degradiert.

Justin Gatlin, der von Bolt geadelt wurde, weil er ihn als „lästig“ bezeichnet hatte, blieb Silber. Mit gehörigem Respektabstand (9,85). Tyson Gay war bekanntlich aus Doping-Gründen nicht dabei, Yohan Blake hatte wegen einer Verletzung abgesagt. Auch andere (wie Asafa Powell) wurden aussortiert, weil sie verbotene Substanzen zu sich genommen haben.

Die Mehrzahl der Medien bejubelten den Sieg von Usain Bolt. „Die Legende geht weiter“, schrieb „Le Figaro“. Die Engländer verneigten sich fast durch die Bank. Sie erkannten in ihm sogar einen Arbeiter. „Mit knirschenden Zähnen zum Sieg.“ Die „Süddeutsche Zeitung“ hingegen nimmt eine weniger euphorische Haltung ein. „Das Problem der Sprint-Fraktion ist ein ganz anderes: die Vertrauenskrise in der eigenen Gemeinde.“

Die Leichtathletik kann ohne Usain Bolt mehr oder weniger einpacken, nicht einmal der Superstar der Szene war bei seinem ersten Auftritt in Moskau in der Lage, das Stadion zu füllen. Viel zu sagen hatte der Jamaikaner letztlich auch nicht. Ein Satz von ihm ist jedenfalls bislang unwiderlegt: „Ich bin sauber.“ Das wiederum macht nicht nur den Präsidenten des Internationalen Leichtathletik-Verbandes, Lamine Diack, glücklich. Aber der gute Mann aus Senegal ist mittlerweile 80. Der Deutsche Julian Reuss meldet Zweifel an. „Wenn man eins und eins zusammenzählt, dann ist es schon verwunderlich, dass ausgerechnet der Schnellste sauber sein soll.“

Bolt ist noch nie positiv getestet worden. Er ist unbescholten. Und an irgendetwas müssen wir doch glauben. Auch wenn's naiv sein sollte.

E-Mail: wolfgang.wiederstein@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2013)

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