Fußball muss nicht attraktiv sein. Niemand weiß das besser als Trainer José Mourinho, der eiserne Pragmatiker.
Auf José Mourinho kann man sich manchmal wirklich verlassen. Der egozentrische Startrainer, dem nicht überall die Herzen zufliegen, hat sich bei den Fußballfans wieder einmal wahnsinnig beliebt gemacht, weil er aus dem Semifinal-Hinspiel der Champions League zwischen seinem FC Chelsea und Atlético Madrid ein Unspiel gemacht hat. Die Empörung ist nun nicht nur in Spanien und in England groß, dabei hätte man darauf wetten können. „Duell der Strategen des Antifußballs“ hatte die „Welt“ schon im Vorfeld getitelt. Der spanische Tabellenführer hat sich jedenfalls trotz aller Bemühungen die Zähne ausgebissen, wenn Mourinho Beton anmischt, dann nicht halbherzig – sondern ganz. Und wenn er auf Erlebnis-Fußball pfeift, sondern ganz einfach nur ein Ziel verfolgt, dann mit allen Mitteln. Dieses Ziel, das heißt Finale. Und in weiterer Folge natürlich Gewinn der wichtigsten Klubtrophäe. Als hochbezahlter Trainer mit dem dritten Klub (Porto 2004, Inter Mailand 2010).
Fußball muss nicht attraktiv sein, das ist bekannt. Er muss effektiv praktiziert werden. Wer es auf höchster Ebene schon einmal mit einer Mannschaft, die von José Mourinho betreut wird, zu tun bekommen hat, der weiß, dass der selbsternannte Halbgott („The Special One“) es wie kein anderer versteht, einen Gegner zu frustrieren. Das ist dem Portugiesen auch diesmal gelungen. Gegen das vielleicht unangenehmste Team, das es derzeit zu bespielen gibt. Gegen Atlético Madrid wollte im Semifinale keiner antreten. Aber Mourinho wäre nicht Mourinho, wenn er nicht auch diese Herausforderung annehmen würde. Und selbst für diese knifflige Aufgabe einen Lösungsvorschlag zu bieten gehabt hätte. Seine Taktik hat gegriffen. Und auch den langweiligsten Fußball, den muss man erst einmal praktizieren können. Und das beherrschen nicht viele.
Der Zweck heiligt die Mittel, das ist im Fußball nichts Neues. Mourinho neigt auch nicht unbedingt dazu, nach Liebe zu lechzen. Es ist auch nicht bekannt, dass er vom ästhetischen Fußball träumt. Er pfeift auf „Haltungsnoten“, weil er darauf fokussiert ist, erfolgreich zu sein. Er weiß, wie man sich wehren kann, auch gegen Offensivpressing oder ähnliche Methoden.
José Mourinho ist ein Pragmatiker, der auch nicht davor zurückscheut, gnadenlos zu sein. Oder schamlos. Wenn es um das pure Zerstören oder Zermürben geht, übertrifft er sich als Trainer jedes Mal aufs Neue.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2014)