Computer und Verbote statt Emotionen

Der Grand Prix von Spielberg lieferte den Beweis: Die Formel 1 steht für Fadesse und vor einer Zerreißprobe.

Trauerminute vor dem Formel-1-GP von Spielberg? Diskutiert wurde darüber nach der Amokfahrt in Graz, noch schneller wurde diese (menschliche) Option verworfen. „Es sind keine Programmänderungen geplant. Unsere Gedanken sind bei den Familien und Freunden der Opfer.“ Diese Zeilen zierten eine sterile Aussendung, begründet wurde die Entscheidung nicht. Die Fahnen über den Tribünen wurden wenigstens auf Halbmast gesetzt.

Im Fußball ist eine Trauerminute keine Seltenheit, bei Olympia hingegen sind Sportlern politische oder persönliche Gesten und Botschaften untersagt. In Sotschi wurden Norwegens Langläuferinnen sogar verwarnt, weil sie mit Trauerflor unterwegs waren. Die Bürokratie der Sportwelt nimmt mitunter schon eigenartige Formen an.

Abgesehen von der sturen Negativwerbung aus den eigenen Reihen mit Ausstiegsdrohungen aufgrund zu schwacher und schlechter Motoren, hatte Red Bull alles unternommen, um erneut aus dem Heimspiel auf dem Spielberg-Ring ein Spektakel zu machen. Dass am Renntag nur 55.000 statt wie im Vorjahr 100.000 Fans den Rosberg-Triumph verfolgten, sollte bei allen Chefs der Formel 1, des Weltverbandes und den involvierten Automobilherstellern endgültig die Alarmglocken läuten lassen. Ein weltweit im Marketing erfolgreich und geschickt agierender Konzern schafft es nicht, sein Heimspiel bis auf den letzten Platz zu füllen? Red Bull trägt daran aber keineswegs die Schuld – die Formel 1 hat an Tragkraft und Interesse eingebüßt, allen voran als Unterhaltungsprogramm auf ganzer Länge verloren.

Es fehlt aber nicht nur der Sound. Ein Reglement wie die Straßenverkehrsordnung hat doch im Rennsport nichts verloren, und wenn Hamilton den GP nur verliert, weil er eine Linie überfahren hat, muss über die Wertigkeit nicht weiter diskutiert werden. Typen, Mythen und ihre Geschichten sind verschwunden. Was Reifen, Motoren und Computerchips anstellen oder warum ein Boxenstopp mit nur 4,8 Sekunden bereits als total misslungen gilt, interessiert nicht einmal mehr echte Freaks.

Der Formel 1 fehlt einfach das richtige Gespür – auch deshalb hat sich offenbar niemand ernsthaft mit einer Trauerminute beschäftigt.

E-Mails an:markku.datler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2015)

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