Die Kultur der Verneinung des Offensichtlichen

Vor Weihnachten soll noch ein Urteil in der Causa Blatter und Platini gefällt werden, den Funktionären droht das endgültige Aus. Ob ihre Nachfolger auch die Kultur der Verneinung des Offensichtlichen einstellen?

Die Verneinung des Offensichtlichen, anders sind die Entwicklungen im Fußballweltverband Fifa weiterhin nicht zu deuten. Oder das heillose bis selbstzerstörerische Gestotter bei der Suche nach Ausreden oder Erklärungen für das (zerstörte) Märchen der WM 2006 – es ist einfach kein gutes Zeichen, wenn Antworten trotz immer größer werdenden Drucks ausbleiben. Im Fall der Alphatiere des Funktionärsfußballs kündigt sich aber nun eine Entscheidung an, die spektakulär klingt.

Wenn man die Ankündigung der Ethikkommission, die sowohl Sepp Blatter als auch Michel Platini von allen Fußballämtern suspendiert hat, richtig gelesen hat, könnten beide früher Geschichte sein, als ihnen lieb ist. Es wird in beiden Fällen Anklage erhoben, und Platinis Anwalt verriet entsetzt nach Akteneinsicht auch das geforderte Strafmaß für seinen Mandanten: lebenslang.

Das Spiel mit zwei Millionen Franken, die erst 2011 und damit neun Jahre nach Verrichtung von Platinis Diensten überwiesen wurden und in keiner Bilanz aufscheinen, dürfte beide zu Fall bringen. Für Platini sind – im Fall einer Verurteilung und einer langjährigen Strafe – damit alle Agenden im Weltfußball erledigt, auch in der Uefa wird man sich einen neuen starken Mann suchen müssen. Wird Blatter verurteilt, daran kommt der Schweizer nicht umhin, kann er nicht den Fifa-Wahltag am 26. Februar 2016 leiten und seinen Abgang offen zelebrieren. Zumindest hat er damit aber seinen größten Feind als Nachfolger verhindert. Das Urteil soll noch vor Weihnachten ergehen.

Im Hintergrund hat längst die Drängelei der Lobbyisten wieder Fahrt aufgenommen. Es geht um das Abstecken frei werdender Claims, Allianzen und Aushängeschilder werden gesucht, und in diesem Spiel, das berichteten an diesem Wochenende brasilianische Zeitungen, genieße Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino großes Ansehen. Südamerikas Fußballverband unterstützt den Schweiz-Italiener, 45, als neuen Fifa-Präsidenten, erklärt Conmebol-Chef Juan Ángel Napout. Infantino, eigentlich der Öffentlichkeit nur aus diversen TV-Ziehungen europäischer Klubbewerbe bekannt, hat den richtigen Weg gewählt. Südamerika behalte seine vier WM-Fixstarter, ein fünfter dürfe Qualifikation spielen. Damit seien Infantino zehn weitere wichtige Stimmen gewiss.

Es ist das nicht nur das übliche Geheul vor Wahlen – welcher Politiker hält denn seine Versprechungen? Einem schenken sie aber Vorschusslorbeeren: Tokyo Sexwale. Der Chef der Fifa-Antirassismus-Taskforce, Millionär und Wegbegleiter Nelson Mandelas, kann in Wahrheit gar nichts mehr falsch machen. Nur einen Makel könnte der Südafrikaner ablegen, die Abkehr vom Blatterismus. Dann wäre es mit der Verneinung des Offensichtlichen schlagartig vorbei.

markku.datler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2015)

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