"Kalter Krieg" im Weltsport

Ganz Russland von Olympia aussperren nach all den Beweisen und Urteilen im Dopingskandal oder doch Ausnahmen zulassen? Das Schweigen von IOC-Präsident Thomas Bach irritiert.

Politiker und Staatsmänner oder Präsidenten sportlicher Organisationen werden ausschließlich an der Tragweite ihrer Arbeit gemessen. An Ideen, die sie umgesetzt haben, an Reformen, Einnahmen, dem Wohl des Betriebs. Es gibt jedoch auch solche, in Österreich sogar sonder Zahl, die zuerst Versprechungen machen, gar eine Trendwende proklamieren – und dann alles schuldig bleiben, weil ihnen Mut und Unterstützung der Gefolgschaft fehlen oder doch eine finanziell-emotionale Verbindung zu manch Gegner besteht. Das gibt es auch im Sport – zuhauf.

Im Weltsport wartet die vermutlich schwerwiegendste Entscheidung: Nach unzähligen Dopingvergehen in diversen Sportarten, dem durch die Welt-Antidoping-Agentur erbrachten Nachweis für staatlich-organisierten Betrug und der Bestätigung der Sperre russischer Leichtathleten durch den Internationalen Sportgerichtshof muss das Internationale Olympische Komitee darüber befinden, ob ganz Russland von den Sommerspielen 2016 ausgeschlossen werden kann respektive sogar muss. Wird in einer Sparte systematisch betrogen, sollte eigentlich auch systematisch bestraft werden. In diesem Punkt wäre allerdings eine starke Führungspersönlichkeit nötig, ein Chef, der besonnen die Richtung vorgibt und sich nicht vor schmerzhaften Urteilen drückt oder gar hinter 28 Weltverbänden und womöglich allen Dopingjägern versteckt.

Thomas Bach, der deutsche IOC-Präsident, müsste Olympia eine klare Linie vorgeben – warum wollte der Fecht-Olympionike von 1976 denn sonst Chef des IOC werden? Nur er schwieg, spielte lang auf Zeit, schob andere vor, die Pflicht weiter. Eine Weltorganisation wie das IOC sollte eigentlich zur Findung einer juristisch-transparenten Lösung in der Lage sein. Bei politischen Interventionen oder anderen „Kavaliersdelikten“ reagierte man weder beim IOC noch beim Fußballweltverband Fifa bislang zimperlich und schrieb Suspendierungen mit einer Leichtigkeit, wie man sie bei Postkarten aus dem Urlaub pflegt. Nun, da es aber um die Großmacht Russland geht, wirkt der Souverän gelähmt und verblasst.

Das Sportgerichtshof-Urteil, für viele der Assist für den Ausschluss, hat in Kombination mit dem Wada-Report die Sportwelt gespalten. Befürworter des Rauswurfs kommen aus dem Westen, Gegner und Gralshüter des Individualrechts aus dem Osten – wo bis 2022 übrigens alle weiteren Großereignisse stattfinden. Was passieren wird? Das IOC dürfte 28 Weltverbänden die Last, wie im Fall der Leichtathletik, aufbürden. Es wird Sperren und Ausnahmen geben, die Nation Russland wird in Rio fehlen, man wird sich arrangieren. Wie es eben so üblich ist, unter Geschäftspartnern, Politikern, Freunden – und schwachen Funktionären.

markku.datler@diepresse.com

(Print-Ausgabe, 24.07.2016)

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