Live ist nur dann live, wenn die Hüter der Unterwäsche wollen

Die Uefa spielt in Polen und der Ukraine das oberste Kontrollorgan. Das nimmt zum Teil schon groteske Formen an.

Die Europäische Fußball-Union klotzt bei Europameisterschaften, auch in Polen und in der Ukraine. Das Turnier ist zu einer echten Melkkuh geworden, die teilnehmenden Nationen werden dafür auch fürstlich entlohnt. Aber die Uefa spielt auch den Hüter des Fair Play, das bei dieser Euro bereits mehrmals verletzt wurde. In Warschau haben sich Hooligans auf der Straße geprügelt, Russen haben illegale Transparente ins Stadion geschleppt, rassistische Vorfälle hat es auch zuhauf gegeben.

Einmal war das niederländische Team beim Training davon betroffen, nun ist es in Posen zu unschönen Szenen gekommen. Mario Balotelli soll von kroatischen Fans mit Bananen beworfen worden sein, das berichtet zumindest ein Pressefotograf. Sollte sich das bewahrheiten, blüht Kroatiens Verband Ungemach. Bereits gegen Irland wurden Feuerwerkskörper abgeschossen, das Szenario wiederholte sich gegen Italien. Es rauchte so gewaltig, dass die Uefa dies nicht einmal mehr auf den Fernsehbildern retouchieren konnte.

Wer dachte, die Uefa sei als Kontrollorgan und Veranstalter vollends ausgelastet, der irrt. Die Mitarbeiter von Michel Platini sind auch die Hüter der – Unterhosen. Auf Millimeter genau ist reglementiert, wer wann welche Werbung machen darf. Das betrifft längst nicht mehr nur Biersorten, Hightech-Ausrüster, Automarken oder Sportartikelhersteller. Es geht bereits an die Haut, die Bestimmungen haben die Unterwäsche erreicht. Den Anlass zur Aufregung hat der Däne Nicklas Bendtner geliefert. Er erzielte gegen Portugal nicht nur zwei Treffer, sondern entblößte beim Torjubel eine delikate Feinheit, die den Zorn der Uefa ausgelöst hat. Bendtner, der Frechdachs, hat sich beim zwischenzeitlichen Ausgleich vor den eigenen Fans aufgepflanzt, das Trikot hochgezogen und seine Trikothose ein wenig hinunter gelassen.

Zum Vorschein gekommen ist eine grüne Unterhose, das wäre für die Funktionäre ja noch verkraftbar gewesen. Aber auf dem Gummizug stand der Schriftzug „Paddy Power“ zu lesen. Dabei handelt es sich um einen irischen Sportwettanbieter. Nun vermutet die Uefa eine Art Schleichwerbung und wird die ganze Sache einer Prüfung unterziehen, am Montag soll der Disziplinar- und Kontrollausschuss darüber entscheiden. Der dänische Vifzack, der mit Baronin Caroline Fleming verheiratet war und mit Schauspielerin Julie Zangenberg eine Affäre gehabt haben soll, zeigt sich verwundert und spielt sicherheitshalber den Unschuldigen. „Ich habe die Hose von einem Kumpel geschenkt bekommen. Sie sollte mir Glück bringen. Ich habe keinen Vertrag mit dieser Firma.“ Das Ziel aber ist erreicht, die Unterhose hat ihren Zweck erfüllt, falls die Aktion tatsächlich darauf abzielen sollte.

Den Gummizug konnte die Uefa nicht mehr rechtzeitig ausblenden. In Charkow hat sie aber beispielsweise sofort eingegriffen. Denn während des Spiels Deutschland gegen die Niederlande wurden auch Protesttransparente gegen den Umgang mit der Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko gesichtet. Stattdessen wurde eine Szene mit Joachim Löw und einem Ballbuben eingespielt, die sich vor dem Anpfiff abgespielt hatte. Live ist nicht immer live, sondern nur dann, wenn es die Uefa erlaubt. Die Fernsehzuschauer bekommen viel geliefert, aber nicht alles.


E-Mails an: wolfgang.wiederstein@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2012)

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