Jantscher: „Kritik wird es immer geben“

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Moskau-Legionär Jakob Jantscher spricht im Interview über russische Gehaltsdimensionen, seltsame Blicke seiner neuen Kollegen und Nominierungen ins Nationalteam.

Fürchten Sie bereits den russischen Winter?

Jakob Jantscher: Die vergangene Woche hatten wir Plusgrade, aber davor war es schon richtig kalt, haben wir bei minus fünf Grad trainiert. Da ließ es sich schon erahnen, wie der Winter in Moskau werden könnte. Aber glücklicherweise bewege ich mich ja ein bisschen.

Vermissen Sie etwas aus Österreich?

Nicht wirklich, heutzutage bleibt einem über das Internet ja auch kaum etwas verborgen. Aber klar, während meiner Heimataufenthalte freue ich mich vor allem darauf, Familie, Freunde und alte Bekannte wiederzusehen.


Und was ist mit der österreichischen Küche?

Die Russen essen dasselbe wie wir.


Konnten Sie sich auch schon mit der Krautsuppe „Borschtsch“, dem russischen Nationalgericht, anfreunden?

Ich glaube, die habe ich noch gar nicht probiert. Und wenn doch, dann wusste ich nicht, dass es Borschtsch war (lacht).

Russisch gilt als komplizierte Sprache, nicht nur aufgrund der kyrillischen Schrift. Fühlen Sie sich überfordert?

Die Kommunikation ist weniger ein Problem, weil innerhalb der Mannschaft ohnehin hauptsächlich Englisch gesprochen wird. Wir haben zwar einmal pro Woche Russisch-Unterricht, der lässt sich aufgrund der Trainingseinheiten aber nur schwer wahrnehmen.


Sie sind im Sommer vom österreichischen Double-Gewinner zum damaligen Tabellenletzten der russischen Premier Liga gewechselt. Nicht wenige haben sich darüber gewundert.

Kritik wird es immer geben. Die Leute haben eben nicht erwartet, dass ich mich für Russland entscheide. Ich habe mich während der zwei Jahre bei Salzburg gut weiterentwickelt, wollte dann unbedingt den nächsten Schritt setzen ...

... der Sie auch nach Deutschland zu Schalke 04 hätte führen können.

Schalke war ein Thema wie viele andere Klubs auch. Das Problem war die relativ hohe Ablösesumme von vier Millionen Euro. Salzburg ließ nicht mit sich verhandeln, viele Vereine konnten diese Summe nicht stemmen. Dynamo war schon letztes Jahr an mir dran, wollte mich unbedingt. Ich bin froh, dass es dann eine Leihvariante geworden ist.

Die meisten Österreicher träumen von Engagements in Deutschland oder England.

Ich habe mich nie darauf versteift, unbedingt einmal in dieser oder jener Liga spielen zu wollen. Die Umstände müssen einfach passen – und in Moskau passen sie derzeit.


Was wussten Sie über den russischen Fußball, bevor Sie sich auf dieses Abenteuer eingelassen haben?

Wenn man den internationalen Fußball verfolgt, weiß man über die Qualitäten von Klubs wie Zenit St. Petersburg, Spartak oder ZSKA Moskau Bescheid. Das sind Klubs, die regelmäßig Champions League spielen, das sagt schon viel aus. Dass Spieler wie der Brasilianer Hulk oder Eto'o in Russland ihr Geld verdienen, zeigt auch deutlich, in welche Richtung sich der Fußball hierzulande entwickelt. Und selbst wenn die Nationalmannschaft bei der Euro in der Vorrunde ausgeschieden ist, hat sie sehr guten Fußball gespielt.


Lässt sich in Moskau eigentlich noch mehr Geld als in Salzburg verdienen?

Russland ist Russland, das sind auch finanziell andere Dimensionen.


Ihren rumänischen Trainer Dan Petrescu konnten Sie sofort von sich überzeugen. Hatten Sie denn gar keine Anpassungsschwierigkeiten?

Ich musste mir doch erst einmal Respekt verschaffen. Als Ausländer hast du es in Russland schwerer, die schauen dich schon anders an. Mit den Leistungen sind Respekt und Verantwortung aber rasch gewachsen.


Petrescu hat fünf Jahre seiner aktiven Karriere beim FC Chelsea verbracht. Überträgt sich sein englischer Einfluss auch auf das Spielfeld?

Definitiv. Die Zeit auf der Insel hat ihn geprägt, er lässt viel über die Seiten spielen, agiert auch gerne mit hohen Bällen aus der Verteidigung. So, wie ein Engländer eben spielen lässt.

Haben Sie eigentlich noch Kontakt zu Salzburg? Immerhin sind sie einstweilen nur für ein Jahr verliehen, gehören also zum Salzburger Personal.

Ich tausche mich regelmäßig mit Spielern aus, zur Führungsetage gibt es jedoch keinen Kontakt.

Ihre Meinung zur aktuellen Mannschaft?

Salzburg spielt einen sehr guten Fußball, was keine Selbstverständlichkeit ist. Immerhin wurde die Double-Mannschaft im Sommer fast gänzlich ausgetauscht. Es wurde einfach alles über den Haufen geschmissen. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass manchmal auch die Führungsetage keinen Plan hatte. Mit diesem Vorgehen muss man in Salzburg leben können. Da gibt es einige Dinge, die nicht passen. Daran lässt sich wohl nichts ändern.

Dennoch scheint das Team derzeit gefestigt wie selten zuvor.

Der Titel führt nur über Salzburg, diese Truppe imponiert mir. Aber Austria hat gute Chancen zu überraschen, zudem mit Philipp Hosiner einen sehr guten Einkauf getätigt.


Hosiner steht trotz starker Leistungen nicht im Aufgebot für das Länderspiel gegen die Elfenbeinküste am Mittwoch. Ein Indiz dafür, wie schwierig es mittlerweile geworden ist, seinen Platz im ÖFB-Team zu finden?

Auf jeden Fall. Die Qualität im Team ist gestiegen, viele Legionäre spielen bei ihren Klubs bedeutende Rollen.


Als Spieler der österreichischen Bundesliga hat man einen schweren Stand.

Und dennoch regiert unter Teamchef Koller das Leistungsprinzip. Wenn Philipp Hosiner so weitermacht, wird er sicher noch seine Chance bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2012)

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