Fußballer aus Japan: Suche nach Rohdiamanten

(c) AP (Kirsty Wigglesworth)
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Durch das steigende Interesse europäischer Vereine könnte eine neue Abwanderungswelle von Fußballern aus Japan anstehen. An Talenten scheint es in Japan allerdings noch lange nicht zu mangeln.

Es war das, was der Fortuna noch gefehlt hatte. Bereits rund 8000 Japaner leben in der Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen, zudem operieren dort 300 japanische Unternehmen. Nirgendwo sonst in Deutschland ist das fernöstliche Land derart stark vertreten. Nun zählt auch Fortuna Düsseldorf auf einen Japaner, wie der Traditionsklub der Stadt im Dezember bekanntgab. Mit dem Offensivspieler Genki Omae ist der Aufsteiger schon der aktuell neunte Klub der Bundesliga, der einen Profifußballer aus Japan in seinem Kader hat.

Dank der Verpflichtung des 23-jährigen Omae, der im vergangenen Jahr für Shimizu S-Pulse insgesamt 18 Tore erzielte, erhofft man sich in Düsseldorf wohl auch neue Sponsoren. Mit dem Technologiekonzern Hitachi hat der Klub bereits einen japanischen Sponsor, und durch eine verstärkte Vertretung japanischer Fußballer dürfte der Verein für die fernöstliche Gemeinde der Stadt auch wirtschaftlich noch interessanter werden. Der Neuzugang des beweglichen und technisch begabten Omae sei aber rein sportlich motiviert, heißt es von offizieller Seite. In der Tat könnten weitere Landsmänner folgen. Zu Ende der vergangenen Saison, die in Japan immer dem Kalenderjahr folgt, beobachteten Düsseldorfer Scouts wiederholt die japanische Szene. An mehreren Spielern soll Interesse bestehen.

Nachschub wie vom Fließband

Die Nachricht überrascht kaum noch. Spätestens seit der Mittelfeldspieler Shinji Kagawa vor zwei Jahren bei Borussia Dortmund für Aufsehen sorgte und schließlich zu Manchester United wechselte, sind Fußballer zu einer beliebten Exportware aus Japan geworden. Schon vor der vergangenen Saison hatten sich wieder die besten Spieler von europäischen Klubs verpflichten lassen. In Japan fürchtete man daher ein Ausbluten der J-League. Bislang aber scheint das Gegenteil der Fall. Trotz der zahlreichen Abgänge blieben die Zuschauerzahlen auch 2012 bei rund 18.000 pro Spiel, und die Liga hat kaum an Niveau verloren. An Talenten scheint es in Japan noch lange nicht zu mangeln.

„Es kommen ständig starke Spieler nach“, sagt Thomas Kroth. Seit den 1990er-Jahren beobachtet der deutsche Spielerberater den japanischen Markt und hat sich dort mit seiner Agentur Pro Profil, die auch Deutschlands Nationaltorhüter Manuel Neuer betreut, eine Art Monopolstellung erarbeitet. Mehr als 20 japanische Spieler hat Kroth bereits nach Europa vermittelt, darunter Shinji Kagawa von Manchester United, Atsuto Uchida von Schalke und Makoto Hasebe von Wolfsburg. In den letzten zwei Jahren ist die Nachfrage aus mehreren Ländern noch einmal deutlich gestiegen.

„Ein Grund dafür ist die japanische Spielweise“, sagt Kroth. Viele europäische Topklubs wollen momentan das moderne Kurzpassspiel beherrschen, das im japanischen Jugendfußball seit Jahren trainiert wird. „Dieser Stil liegt den Japanern sowieso. Die meisten Spieler sind kleiner und schmaler als der Durchschnittseuropäer, aber deswegen auch wendiger und technisch sehr stark.“ So jagen europäische Klubs bisher vor allem nach Allroundern im Mittelfeld mit diesen Eigenschaften. Auch Genki Omae ist so ein Beispiel.

Japans Jugendfußball produziert solche Spieler im großen Stil. Schon Kinder werden ausschließlich von ausgebildeten Betreuern trainiert, die vom Verband genaue Vorgaben zu spielerischen Ausbildungsschwerpunkten erhalten. Zudem erfreut sich der Sport seit der Gründung der J-League 1993 und der Austragung der WM 2002 in Japan und Südkorea eines enormen Zulaufs. Die Zahl spielender Kinder und Jugendlicher ist in 20 Jahren um die Hälfte angestiegen und wächst weiter. Für starken Nachwuchs ist so ein Trend wohl der wichtigste Erfolgsfaktor. Später durchlaufen die meisten Jugendlichen Highschool- und Universitätsmannschaften, die im Land hohes Ansehen genießen. Das Endspiel der Highschool-Meisterschaft im Tokioter Nationalstadion sahen im Vorjahr 48.000 Zuschauer.

Zwischen Nachwuchs- und Profibereich gelten auch die Schnittstellen als gut. „Viele der besten Nachwuchsspieler schaffen den Sprung schon sehr früh, mit 18 bis 20 Jahren“, sagt Kroth. Vielversprechende Spieler dürfen dann trotz ihrer Verpflichtungen bei der eigenen Mannschaft parallel schon Punktspiele in der J-League absolvieren. „Mehrere Talente, die ich vermittelt habe, haben auf diese Weise schon im jungen Alter Profispiele gemacht.“ Jugendnationalspieler verfügen dadurch nicht selten über ein beachtliches Maß an Profi-Erfahrung. Der Olympiakader, generell eine U23-Auswahl, bestand für Japan im vergangenen Jahr in London etwa ausschließlich aus Profis. Bronze verpasste die Mannschaft nur knapp.

Kurze Verträge, keine Ablöse

Mehrere dieser Talente wirbeln seit Längerem als Schlüsselspieler in der J-League: Kazuya Yamamura von Kashima Antlers, Hotaru Yamaguchi von Cerezo Osaka oder der Torhüter vom aktuellen Meister Sanfrecce Hiroshima, Takuya Masuda. Sie und weitere Spieler werden als Kandidaten für einen Wechsel in europäische Ligen gehandelt. Nicht nur Düsseldorf ist an Neuverpflichtungen interessiert. Allein in Deutschland sollen verschiedene Klubs derzeit mit einer Handvoll Spieler aus Japan verhandeln. Da Verträge in der J-League häufig über kürzere Zeiträume abgeschlossen werden, sind viele Talente auch noch vergleichsweise günstig zu haben. Der Vertrag von Genki Omae läuft etwa Ende Jänner aus, sodass Düsseldorf keine Ablösesumme zahlen muss. Solange sich die Gewohnheit kürzerer Verträge in Japan nicht vollständig geändert hat, dürfte der Markt umso interessanter für europäische Vereine sein.

Auf einen Blick

Der europäische Fußball hat Japan als Markt entdeckt. Die gute Ausbildung und niedrige Ablösesummen machen japanische Spieler attraktiv. Das bislang erfolgreichste Beispiel ist Shinji Kagawa, der aus Japans zweiter Liga zur Dortmund wechselte und nun bei Manchester United spielt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2013)

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