Paul Scharner rechnet ab: Brutale Rituale im Fußball

Paul Scharner
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Karriereende. Ex-ÖFB-Teamspieler klagte nach dem Rücktritt über das "Haifischbecken" Profifußball. „Meine Einstellungen sind im Fußball nicht lebbar.“

[Wien/APA] Für Paul Scharner waren die Jahre im Profifußball über weite Strecken ernüchternd. „Nur fünf Jahre und drei Monate war ich glücklich und zufrieden. Das ist erschütternd“, sagte der ehemalige ÖFB-Teamspieler in der in Hamburg aufgenommenen Ö3-Radiosendung „Frühstück bei mir“ am Sonntag – sechs Tage, nachdem er seinen Rücktritt erklärt hatte. „Ich habe Einstellungen, die sind im Fußball nicht lebbar.“
ÖFB-Teamchef Marcel Koller hält er nach wie vor für „weich geklopft. Er ist in die österreichische Fußballwelt eingetaucht. Bequem und gemütlich.“ Scharner war im August 2012 nach Differenzen mit dem Schweizer beim Team abgereist und in der Folge lebenslang für die ÖFB-Auswahl gesperrt worden. „Ich habe kein Problem mit Autorität. Da gibt es genug Beispiele in England und Norwegen“, betonte der Ex-Bergen-, Wigan- und -West-Bromwich-Legionär. „Ich lege mich ja nicht mit jedem an. Ich bin ein Erfolgsdenker. Wenn nicht alles darangesetzt wird, melde ich mich.“

Fußball ist ein Haifischbecken

Eltern sollten sich überlegen, ob sie ihre Kinder in das „Haifischbecken“ Profifußball drängen wollen. Dort würden Menschen „produziert, die alles mitmachen, was der Verein vorgibt. Da kommt ein Einheitsbrei heraus.“ Deswegen habe er mit Coach Valentin Hobel gearbeitet: „Auch auf die Gefahr hin, dass viele dann meinten, man hat etwas an der Nuss.“
Der eigentliche Wahnsinn spiele sich woanders ab. Etwa bei Mannschaftsritualen wie dem „Pastern“, mit dem die Persönlichkeit gebrochen werden soll. „Man wird gefesselt, dann kommt das ganze Team, schmiert dich am Arsch ein. Es kommt jeder mit dem Schlapfen und haut dir auf den Hintern. Das ist menschenunwürdig.“ Freundschaften im Fußball habe er nie gesucht: „In meinen Telefonbuch sind die Nummern von einer Handvoll Fußballer.“
Auch dass die Meisterfeier 2003 mit der Austria im Rotlichtmilieu stattgefunden habe, stieß ihm sauer auf. „Da wird der Klub Meister und dann fährt der ganze Bus dorthin. Das kann ich mit mir nicht vereinbaren“, erklärte er. Weil er sich solchen Dingen entzogen habe, sei er in Österreich als schwul abgestempelt worden. „Da war ich schon Vater.“ Seiner Frau sei der Niederösterreicher, der bald zum vierten Mal Vater wird, immer treu gewesen. „Das kann ich mit gutem Gewissen sagen.“

Zukunft als Wirtschaftscoach?

Seine Zukunftspläne will er in den nächsten vier Monaten schmieden. Er könne sich vorstellen, in die Wirtschaft zu gehen, im Coaching oder als Berater zu arbeiten: „Da habe ich viel mitbekommen.“

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