Euro 2012: Blutgrätsche des ukrainischen Präsidenten

(c) AP (Efrem Lukatsky)
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Während Südafrika zur Überraschung vieler die Generalprobe für die WM 2010 gut absolviert hat, liegt es in der Ukraine im Argen: Dort glauben selbst Spitzenpolitiker nicht an eine erfolgreiche Ausrichtung der Euro 2012.

WARSCHAU.Noch vor einiger Zeit haben sich die Europäer gefragt, ob es tatsächlich eine weise Entscheidung sei, die nächsten Fußballweltmeisterschaften in Südafrika austragen zu lassen. Viel wurde von der großen sozialen Kluft und den wirtschaftlichen Problemen am Kap der Guten Hoffnung geredet. Und tatsächlich waren die Sorgenfalten der Fifa-Verantwortlichen bis vor Kurzem ziemlich deutlich zu sehen. Allerdings bis vor Kurzem: Denn die Austragung des Confederations Cup machte viele Beobachter hoffnungsfroh. Der Bau der neuen Stadien geht zügig voran, die Investitionen in die Infrastruktur sind zum Großteil abgeschlossen. Der Probegalopp für die WM 2010 wurde sehr gut absolviert. Und längst ist es nicht mehr Südafrika, das den Fußball-funktionären Sorgen macht. Längst liegen die Sorgen in Europa selbst. Nämlich in der Ukraine. Dort soll nämlich in drei Jahren eine Europameisterschaft gespielt werden. Und dass dem so sein wird, daran glaubt mittlerweile nicht einmal mehr der ukrainische Präsident.

Juschtschenko ist pessimistisch

Er fürchte, erklärte Viktor Juschtschenko in diesen Tagen bedeutungsschwanger, dass die Ukraine die geplante Fußballeuropameisterschaft 2012 nicht ausrichten könne. Damit stellt der Staatschef überraschend die eigene Regierung bloß, die gegenüber dem europäischen Verband Uefa seit Monaten immer wieder beteuert, die Vorbereitungen unter Kontrolle zu haben. Diese Darstellung entspreche nicht den Tatsachen, so der Staatschef. Er hält die Regierung schlicht für unfähig, die notwendigen Fortschritte erzielen zu können.

Juschtschenko rügte, nach Angaben der Agentur Interfax, vor allem den schleppenden Ausbau der Infrastruktur. Von den in diesem Jahr für Verkehrsprojekte eingeplanten rund 239 Millionen Euro seien nur knapp über zehn Prozent ausgegeben worden. Damit legt er den Finger auf eine schwärende Wunde, denn vor einigen Tagen ist der ukrainische Transportminister Josef Winskij mit eben dieser Begründung zurückgetreten.

Er hatte Ministerpräsidentin Julia Timoschenko vorgeworfen, sie blockiere das Geld für den Bau von Straßen. Die schoss verbal zurück, und erklärte, Winskij habe Millionensummen abgezweigt, um seine eigene politische Karriere damit zu fördern, weshalb sie dessen Budget eingefroren habe.

Mit der verbalen Attacke Juschtschenkos auf seine Rivalin Timoschenko ist der Albtraum vieler EM-Verantwortlichen wahr geworden: Der Machtkampf zwischen Präsident und Premierministerin, der seit Monaten das Land lähmt, hat nun die Vorbereitungen für das Turnier direkt erreicht.

Die lagen allerdings bereits vor diesem neuen Störfeuer sehr im Argen. Der Bau der Stadien scheint voranzukommen, schließlich gibt es in der Ukraine genügend Oligarchen, die sich mit den luxuriösen Sportarenen weithin sichtbare Denkmäler setzen wollen.

Doch auch der Reichtum dieser „Bisnesmen“ ist nicht unendlich und so fehlt es noch immer an Hotels, Flugplätzen, Bahnstrecken und Straßen. Ausländische Bauträger sind kaum zu finden, in Zeiten der Krise scheuen sich auch die Wagemutigsten, in ein Land am Rande des Staatsbankrotts zu investieren. Das muss inzwischen auch der daueroptimistische EM-Koordinator Ilja Tschewlijak einräumen. „Das größte Problem ist, dass alle Hotels von privaten Investoren finanziert werden müssen, was vor der Krise eigentlich nicht kompliziert erschien. Nun aber ist es schwierig, angesichts mangelnden Kapitals den Bau fertigzustellen“, erklärt er.

Polen will Euro ganz für sich

Die Schwierigkeiten in der Ukraine haben inzwischen Begehrlichkeiten beim Ko-Gastgeber Polen geweckt. Dort würde man sehr gern mehr als die vier bisher von der Uefa zugestandenen Spielstätten haben und auch weitaus größeren Einfluss auf die Organisation nehmen.

Da die Verantwortlichen des europäischen Verbandes diese seit Wochen immer wieder vorgetragenen Wünsche offensichtlich satt haben, sprach am Donnerstag Martin Kallen, Euro-Direktor der Uefa, in Warschau vor. „Wir sind ein Team und nur, wenn wir in einer Mannschaft spielen, haben wir die Chance, ein fantastisches Turnier zu organisieren“, erklärte er. Den ständigen Nörgeleien aus Polen habe er mit einem kurzen Satz ein Ende gesetzt: „Die Euro gehöre allein der Uefa!“

AUF EINEN BLICK

Polen und die Ukraine wollen gemeinsam die Fußball-Europameisterschaft 2012 ausrichten. Doch während die Vorbereitungen in Polen relativ zügig voranschreiten, gibt es in der krisengeschüttelten Ukraine große Probleme. Nun glaubt auch der Staatspräsident nicht mehr, dass sein Land die Euro ausrichten kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2009)

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