Es brennt im türkischen Fußball

(c) AP (MURAD SEZER)
  • Drucken

Nach dem Manipulationsskandal steht der Start der türkischen Liga in den Sternen. Der Supercup wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Unter Verdacht stehen bisher mindestens 82 Personen.

Istanbul. Der Manipulationsskandal in der türkischen Liga hat seine ersten konkreten Auswirkungen: Der nationale Fußballverband TFF hat den Supercup zwischen Meister Fenerbahçe Istanbul und Cupsieger Beşiktaş Istanbul verlegt. Eigentlich hätte das Match am 31.Juli stattfinden sollen – wann es nachgeholt wird, ist offen. „Später“, meinte ein hochrangiger Verbandsfunktionär am Dienstag auf diese Frage. Und auch der Ligastart am 5.August steht in den Sternen. Erst in den kommenden Tagen will man entscheiden, ob es zu diesem Zeitpunkt wirklich losgehen kann – die Zeichen stehen auf „Nein“.

Denn mittlerweile kann man sich fragen, was aus der türkischen Liga werden wird, wenn sich alles bewahrheitet, was derzeit verschiedenen Akteuren an Spielbetrug vorgeworfen wird und die TFF daraus die Konsequenzen zieht und ein halbes Dutzend oder mehr Vereine mit dem Abstieg bestraft.

Unter Verdacht stehen bisher mindestens 82 Personen, darunter Spieler, Trainer, Funktionäre. Über 60 von ihnen befinden sich derzeit in Untersuchungshaft. Darunter ist auch Beşiktaş-Trainer Tayfur Havutçu. Er soll seinem Klub den Pokalsieg gekauft haben. Die ÖFB-Legionäre Ekrem Dağ, Veli Kavlak und Tanju Kayhan stehen daher seit Tagen ohne Chefcoach da. 15 Spiele der Süper Lig stehen unter Manipulationsverdacht, dazu fünf Partien der zweiten Liga.

Nach der ersten Festnahmewelle gab es bei einigen Klubs noch Jubel, insbesondere bei Trabzonspor. Der Klub aus der Hafenstadt war Rekordmeister Fenerbahçe nur ganz knapp unterlegen. In einer unglaublichen Aufholjagd mit 16 Siegen in 17 Spielen gelang es Fenerbahçe, Trabzonspor dank der besseren Tordifferenz den Titel wegzuschnappen. Genau das letzte Spiel gegen Sivasspor, an dem für Fenerbahce der Titel hing, sollte nun unter anderem ausgehandelt gewesen sein. Dafür spricht etwa, dass – der ebenfalls festgenommene Sivasspor-Torwart Korcan Çelikay einen harmlosen Schuss durchrutschen ließ.

Trabzonspor feiert nur kurz

Nun machte sich Trabzonspor darauf Hoffnungen, den Titel nachträglich doch noch zu bekommen. Als ein Gericht in Istanbul entschied, den Vorsitzenden von Fenerbahce, Aziz Yıldırım, trotz seiner angeschlagenen Gesundheit in Untersuchungshaft zu nehmen, gab es in Trabzon kein Halten mehr, man tanzte auf den Straßen. Doch die Freude dauerte nur einige Stunden, da wurden der Vorsitzende von Trabzonspor, Sadri Sener und sein Vize Nevzat Sakar ebenfalls festgenommen.

Indessen ist die Stimmung bei dem mit 160.000 Mitgliedern größten türkischen Verein Fenerbahçe offenbar gekippt. Nach Entsetzen und verzweifelten Versuchen, beim Verband eine mildere Strafe als Abstieg auszuhandeln, stellte sich der Verein zuletzt hinter Yıldırım, von dessen Unschuld man nun überzeugt ist. Tausende von Fans wollten sogar zum Metris-Gefängnis ziehen, in dem der Klubpräsident einsitzt, wurden aber von der Polizei mit Tränengas daran gehindert. Geschäfte, die Fanartikel von Fenerbahçe verkaufen, verzeichnen Rekordumsätze.

Europacup-Starter noch offen

Offen ist aber auch die Frage, welche Klubs die Türkei nun in den anstehenden Europacup-Spielen vertreten sollen. Die Uefa entschloss sich dazu, das Problem zu ignorieren. Man habe „vollstes Vertrauen in den TFF, dass nur Vereine für den Europapokal nominiert werden, die es sich sportlich verdient haben“, hieß es.

Die TFF will nun mit disziplinarischen Schritten gegen Fenerbahce und weitere Vereine bis zur Annahme der Anklage durch ein Gericht zu warten. Doch mit einer Reihe von Spielern und Trainern in Untersuchungshaft ist die nächste Saison auch so schon verzerrt – wann immer diese beginnt.

Auf einen Blick

Mit Fenerbahce und Besiktas sind zwei der großen Istanbuler Klubs in den Manipulationsskandal verwickelt, dazu kommen fünf weitere Erstligisten. 15 Spiele der türkischen Süper Lig stehen unter Manipulationsverdacht, dazu fünf Partien der zweiten Liga. Mehr als 60 Personen wurden verhaftet. Den Klubs droht Zwangsabstieg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.