Teamchefdebatte: Heftige Kritik an Paul Scharner

Paul Scharner
Paul Scharner(c) GEPA pictures (Gepa Pictures/ Christian Ort)
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Didi Kühbauer und Werner Gregoritsch fanden scharfe Worte für Scharners offensive Werbung um das österreichische Teamchef-Amt: "Was er von sich gibt, passt nicht einmal in einen Komödienstadl."

Unter Österreichs Fußball-Bundesliga-Trainern besteht bei der Bewertung der aktuellen Teamchef-Situation keine Einigkeit. Während einige Coaches Dietmar Constantini als Bauernopfer für die schlechten Leistungen der Nationalspieler sehen, klang bei anderen leise Kritik am Tiroler durch - und auch an der Entscheidung von ÖFB-Präsident Leo Windtner, den scheidenden Nationaltrainer in den abschließenden EM-Qualifikationspartien im Oktober in Aserbaidschan und Kasachstan noch auf die Bank zu setzen.

Gludovatz kritisiert ÖFB

Kein Blatt vor den Mund nahm sich lediglich Ried-Betreuer Paul Gludovatz. "An Constantinis Stelle wäre ich sofort gegangen und hätte auf das Geld verzichtet", sagte der Burgenländer. Die Diskussionen um das Anforderungsprofil des Nachfolgers sind für den langjährigen ÖFB-Nachwuchscoach nur Augenauswischerei. "Der ÖFB hat seine eigene Personalphilosophie, und da wird nach anderen Kriterien als nach Erfahrung oder Qualität entschieden."

Einmal mehr forderte Gludovatz ein durchgängiges Konzept, das auch umgesetzt wird. "Es gibt zwar eines, aber das ist nur Theorie. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass wir bei der U20-WM ein 3-3-3-1 und bei der U21 ein 4-3-3 spielen."

Dass der 65-Jährige in manchen Medien als künftiger Teamchef gehandelt wird, kostet ihn nur ein Lächeln: "Das ist völlig undenkbar." Wer im Endeffekt das Rennen machen wird, sollte laut Gludovatz auf keinen Fall von der Nationalität abhängig sein. "Ob Österreicher oder nicht, ist komplett egal, auch die Sprache, so lange er gute Konzepte umsetzt. Und ob er leistbar ist, darf nicht entscheidend sein, sondern ob er etwas bewegen will."

Diese Motivation hat Gludovatz bei Constantini nicht bemerkt. "Nur zu sagen, man hat die Zeit als Teamchef genossen und es war lässig - das ist zu wenig. Der Teamchef-Job ist ein beinharter 24-Stunden-Job."

Gludovatz' Kollegen hielten sich mit Kritik an Constantini zurück. Wiener-Neustadt-Betreuer Peter Stöger meinte lediglich: "Ich glaube, dass wir eine gute Mannschaft haben. Und sie kann noch besser werden, da bin ich einer Meinung mit Constantini."

Austrias Karl Daxbacher ließ Unzufriedenheit mit der Einberufungspolitik erkennen. "Wir sollten aufhören zu reden, eine Nationalmannschaft aufzubauen. Wir brauchen jetzt eine gute Mannschaft. Das muss die bestmögliche Mannschaft sein, die zur Verfügung steht", forderte der Niederösterreicher und ergänzte: "Man kann nicht sagen, Taktik braucht man nicht."

Allerdings nahm Daxbacher den Noch-Teamchef mit Verweis auf das Können der Spieler in Schutz. "Wir sollten einmal genau hinschauen und sehen, dass uns andere Mannschaften technisch überlegen sind. Das wollen wir nicht wahrhaben. Wir müssen vom hohen Ross herunter und die Erwartungshaltung zurückschrauben. Man hat in den direkten Vergleichen gesehen, dass Belgien und die Türkei einfach besser sind."

Mattersburg-Trainer Franz Lederer ärgerte sich im Zusammenhang mit den jüngsten beiden Länderspielen über die Berichterstattung. "Es hat mich maßlos gestört, wie die Medien nach dem Deutschland-Spiel mit Constantini umgegangen sind - wie mit dem Watschenmann im Prater. Man hat gesehen, dass in Österreich die Schadenfreude noch immer eine Tugend ist. Es gab Angriffe unter der Gürtellinie."

Kapfenberg-Coach Werner Gregoritsch würde gerne die Kicker und nicht den Teamchef stärker in der Kritik sehen. "Ich kann nicht immer, wenn wir eine Qualifikation nicht schaffen, den Trainer wechseln. Es wird zu viel auf dem Teamchef abgelagert, meiner Meinung nach mangelt es aber bei vielen Spielern einfach an Qualität."

Attacke gegen Paul Scharner

Den Unmut von Gregoritsch hat sich vor allem Paul Scharner zugezogen - für dessen Bewerbung als "Spieler-Teamchef" gab es vom Steirer nur Kopfschütteln. "Was er von sich gibt, passt nicht einmal in einen Komödienstadl. Wie viele gute Länderspiele hat er abgeliefert?"

Auch Admira-Betreuer Dietmar Kühbauer geriet ob der Scharner-Aussagen in Rage. "Er darf nicht mehr im Nationalteam spielen. Ab sofort müssen wir vor jedem Länderspiel die Grenzen streng bewachen, damit er nicht aus England einreisen kann", forderte der 40-Jährige.

Die Vorgehensweise von Windtner, Constantinis Vertrag nicht zu verlängern, ihn gleichzeitig aber für die Auswärtspartien gegen Aserbaidschan und Kasachstan im Amt zu belassen, wollte Kühbauer nicht kommentieren - im Gegensatz zu Wacker-Innsbruck-Trainer Walter Kogler. "Auf der einen Seite ist der Abschied auf Raten gut, weil der ÖFB dadurch genug Zeit zum Sondieren hat. Die andere Frage ist aber, ob Constantini noch Zugang zu den Spielern hat und sie motivieren kann."

Rapids Peter Schöttel meinte zu diesem Thema: "Dass Constantini diese Spiele noch macht, ist ungewöhnlich. Ich glaube, dass der Neue schon vor den letzten beiden EM-Quali-Spielen im Amt sein wird."

Von Salzburg-Coach Ricardo Moniz wurde Constantini als "mutig" bezeichnet, weil er im Oktober noch die Reise in Richtung Asien antritt. Das Scheitern des Tirolers führte der Niederländer einzig auf die fehlende Klasse der Spieler zurück. "Was soll ein Teamchef in wenigen Tagen bewegen? Letztlich hängt es davon ab, dass bei den Vereinen noch besser und konsequenter gearbeitet wird."

Keinerlei Ratschläge kamen von Sturm-Graz-Trainer Franco Foda, der als Anwärter auf die Constantini-Nachfolge gilt. "Aber die Teamcheffrage interessiert mich überhaupt nicht, weil ich nicht gefragt worden bin. Deshalb mache ich mir auch keine Gedanken darüber."

(APA)

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