Fortuna Köln: Das Ende einer Fan-Utopie

Ende einer FanUtopie
Ende einer FanUtopie(c) Gert Koenig
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Fortuna Köln war der erste „demokratische Klub“ in Deutschland, in dem Fans das Sagen hatten. Zugunsten des sportlichen Erfolgs wird die Mitbestimmung aber abgeschafft.

Köln. An einem sonnigen Tag im Oktober sind endlich mal wieder Stars zu Gast. Die Profis Patrick Owomoyela und Florian Kringe, die im Punktespiel der Amateure von Borussia Dortmund aushelfen, sorgen im Kölner Südstadion für Erinnerungen an damals, als der Gastgeber Fortuna selbst noch im Profibereich gekickt hat. „Früher kamen solche Spieler jede zweite Woche“, meint Vereinspräsident Klaus Ulonska, als er mit einem fußballförmigen Sparschwein durch die Reihen steigt und die Zuschauer um Kleingeld bittet. „Bei gutem Wetter kriege ich 1500 Euro in die Vereinskasse. Jeder gibt, was er kann“, ruft er mit kölschem Akzent. Auf dem Rasen wird Regionalligafußball gespielt, in der vierte Klassen Deutschlands.

Fortuna Köln will zurück nach oben. Ob das gelingt, steht in den Sternen. Als Tabellenvierter starten die Fortunen ins neue Jahr. In diesem steht dem Verein zudem so etwas wie ein Regierungswechsel ins Haus. Zwar bleibt Ulonska Präsident, aber eine Menge Entscheidungsträger werden ihre Rechte verlieren. Drei Jahre ermöglichte Fortuna Köln den Fans, über fast alle Geschicke im Vereinsalltag zu entscheiden: vom Trikotdesign über die Wahl der Stadionwurst bis zu Spielergehältern und Mannschaftsaufstellung. Jetzt stellt Fortuna Köln wieder auf die traditionelle Geschäftsführung um: oben ein Vorstand, der Entscheidungen trifft, und unten die Fans, die zuschauen.

„Es war nicht zu ändern“, sagt Burkhard Mathiak, der Pressesprecher des Vereins, auf der kleinen Pressetribüne. „Es ist auch von den Mitgliedern selbst viel Kritik am System laut geworden.“ Für 39,95 Euro konnte jeder auf deinfussballclub.de Mitglied werden und damit zum stimmberechtigten „Ko-Trainer“ aufsteigen. Derzeit hat der Verein rund 7400 davon, 2009 waren es über 10.000.

Transparenz verhindert Erfolg

Wenn aber bei diversen alltäglichen wie strategischen Entscheidungen große Abstimmungen anstehen, komme es schnell zu Problemen. Für den einstigen Publikumsliebling Kevin Kruth forderten Fans mehr Gehalt. Als der Trainer einmal den Torwart suspendiert hatte, forderten einige Mitglieder ihr Recht ein, den Disziplinarfall zu besprechen. „Und wenn allzu viele Köpfe bei Vertragsverhandlungen sprichwörtlich mit am Tisch sitzen, schrecken wir auch Spieler und Sponsoren ab“, meint Mathiak. „Die Transparenz, die unser Vorhaben eines demokratischen Fußballvereins verlangt, ist so nicht möglich, wenn wir gleichzeitig sportlichen und wirtschaftlichen Erfolg wollen.“

Von der Diktatur zur Demokratie

Dabei gelang mit der Demokratie eine Wiederbelebung. Der Stolz von Fortuna Köln, mit 26 Jahren in Folge den Rekord über die längste Zeit in der zweiten Bundesliga zu halten, fand mit dem Abstieg zur Jahrtausendwende ein jähes Ende. Damals wurde auch deutlich, wie abhängig der Verein von einer einzigen Person war. Der jahrzehntelange Präsident, Jean Löring, hatte Fortuna immer wieder mit seinem Privatvermögen gerettet und im Gegenzug wie ein Diktator geherrscht. So entließ Löring persönlich im Dezember 1999 Trainer Toni Schumacher – in der Halbzeitpause, als Fortuna mit 1:4 gegen Waldhof Mannheim hinten lag. Löring soll seinen spontanen Radikalschlag mit dem Satz begründet haben: „Ich als Verein musste reagieren.“

Zur Winterpause wurde noch Hans Krankl als Trainer verpflichtet, der konnte aber nichts mehr retten. Als Lörings Firma, die Rohrleitungen und Maschinen produzierte, das Geld ausging, ging auch sein Verein pleite. Es folgte der Fall bis in die fünfte Liga.

2008 kam die demokratische Übernahmeaktion nach dem Vorbild des britischen Amateurvereins Ebbsfleet United. Die Ergebnisse der Mitbestimmung können sich sehen lassen: Finanziell sanierte sich die Fortuna, sportlich folgte in der vergangenen Saison der Wiederaufstieg in die vierte Liga. „Das Mäzenatentum von damals will hier keiner mehr“, ruft Klaus Ulonska und schaut auf sein Sparschwein. Trotzdem wird ab dem 12. Jänner ein neuer Investor die Nachfolge der Fan-Demokratie antreten. Für den sportlichen Erfolg. Was vom Projekt bleibt, sind neben ein paar Vorzugsrechten für Mitglieder die T-Shirts der treuesten Fans, auf denen unter dem Klublogo groß „Co-Trainer“ steht.

Nach dem späten 1:1-Ausgleich von Owomoyela fangen einige Kölner Zuschauer laut an zu grölen: „Scheißegal, was auch passiert, wir werden immer bei dir bleiben!“ Wie viele einstige Ko-Trainer das auch in Zukunft rufen, wird sich heuer zeigen. Klaus Ulonska wird es in seinem Sparschwein nachzählen können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2012)

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