Vize-Bayern verzweifeln an sich selbst

Enttaeuschung bei den Bayern
Enttaeuschung bei den Bayern(c) GEPA pictures (Gepa Pictures/ Witters)
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Dass das „Finale dahoam“ trotz drückender Überlegenheit gegen den FC Chelsea im Elferschießen verloren ging, konnte sich danach kaum ein Münchner erklären.

[München/Wien] Nicht einmal Reiner Calmund und Klaus Toppmöller mochten sich über die Niederlage der Bayern freuen. Das Duo hatte 2002 mit Bayer Leverkusen den Titel-Gau erlebt, erst die Meisterschaft, dann das Pokalfinale, dann das Champions-League-Endspiel verspielt. „Vizekusen" war geboren, das alleinige Anrecht auf dieses Merkmal haben der Manager und der Trainer von damals am Samstagabend verloren.

Zehn Jahre später teilen die Bayern dieses Schicksal. Vielleicht noch eine Spur schlimmer, weil man die Champions League im eigenen Stadion im Elferschießen an den FC Chelsea verloren hat. Trotz 1:0-Führung in der 83. Minute, trotz eines Elfers in der Verlängerung, trotz Manuel Neuers Parade im Elferschießen gegen Juan Mata. Völlig neue Gefühle regierten danach in München.
„Wir hatten drei Matchbälle - und trotzdem haben wir es nicht geschafft", meinte Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge mit Leichenbittermiene in seiner Rede beim nachfolgenden Bankett: „Es ist einer dieser Abende, an denen man besser daheim geblieben wäre", sagte er nach dem unglücklich verlorenen „Finale dahoam". Für ihn war diese Niederlage noch bitterer als das Last-Minute-K.o. gegen Manchester United 1999.

Drückend überlegen war seine Mannschaft gegen völlig passive Londoner gewesen. Doch mehr als das Tor von Thomas Müller sprang nicht heraus, während Chelsea zwei Minuten vor Schluss beim ersten (!) Eckball durch Drogba ausgleichen konnte. Torjäger Mario Gomez vergab beste Chancen, Arjen Robben in der Verlängerung dann gar vom Elferpunkt. Chelseas Plan, der offensichtlich daraus bestanden hatte, die 120 Minuten herumzubekommen und das Elferschießen zu erreichen, ging mit dem 1:1 auf. Am Ende gab es sogar die üppige Titelprämie von Klubeigner Roman Abramowitsch (12,5 Millionen Euro), weil Bastian Schweinsteiger den entscheidenden Elfer an die Stange setzte.

„Nicht der verdiente Sieger"

„So ist Fußball. Das hat man in der Vergangenheit schon öfter gesehen, dass am Ende nicht immer der verdiente Sieger mit dem Pokal dasteht", meinte Müller nach Schlusspfiff. Auch Manager Uli Hoeneß war geschockt: „Es ist Wahnsinn. Dreimal hatten wir die Chance, das Spiel für uns zu entscheiden. Wir hatten es eigentlich immer unter Kontrolle. Chelsea hat doch keine Torchance gehabt."
Am schmerzlichsten war die Pleite aber wohl für Bastian Schweinsteiger. Nicht einmal der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck konnte den tragischen Helden bei der Pokalzeremonie trösten. Schon beim Elfer von Robben in der Verlängerung (93.) konnte Schweinsteiger nicht hinsehen, kniete sich stattdessen vor Torwart Neuer. Nach dem Stangentreffer im Elfmeterschießen zog sich der 27-Jährige nur noch das Trikot über den Kopf.

„Wenn ein Spieler in so einem Spiel einen Elfmeter verschießt, dann muss er damit erstmal fertig werden", erklärte Trainer Jupp Heynckes: „Das wird sicherlich einige Tage dauern. Aber es gehört einfach zum Fußballerleben dazu. Das heißt Siege, große Titel und auch Enttäuschungen."

Und eine Chance auf einen großen Titel gibt es für die Bayern-Stars ja noch - die EM. Bis dahin muss das Chelsea-Trauma verarbeitet sein, sonst droht die nächste Enttäuschung - wie 2002. Damals holten die Leverkusener Teamspieler bei der WM den vierten Vizetitel.

("Die Presse", Printausgabe vom 21. Mai 2012)

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