Ungarn: Generalprobe verloren - aber viel Zuversicht gewonnen

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Ein 0:2 als Mutmacher: Österreichs Auftaktgegner Ungarn hat sich bei der Testspielniederlage gegen Deutschland ordentlich verkauft. Die EM kann kommen.

Gelsenkirchen. „Ich fand es klasse, dass die Mannschaft so mutig war“, meinte Ungarns Teamchef Bernd Storck nach dem 0:2 gegen Deutschland in Gelsenkirchen. Für die Ungarn beginnt die EM am 14. Juni in Bordeaux gegen Österreich, die Niederlage gegen den Weltmeister war der letzte EM-Test der Magyaren.

Neue Erkenntnisse über Österreichs ersten Gruppengegner wurden in Gelsenkirchen aber keine offenbart, vielmehr bestätigte sich der Eindruck einer allgemeinen spielerischen Limitiertheit der Ungarn. Über den quirligen Kapitän Balázs Dzsudzsák kamen die Gäste in der ersten Hälfte zwar sogar zu ein paar guten Gelegenheiten, hauptsächlich war man aber mit Abwehrarbeit beschäftigt. Und wusste dabei durchaus zu gefallen, denn viele klare Chancen boten sich den Deutschen nicht. „Ich denke, wir haben uns sehr gut aus der Affäre gezogen“, sagte Assistenztrainer Andreas Möller. Sein Chef Storck erklärte: „Wir haben gewusst, dass wir gegen eine so starke Mannschaft unter Druck sein werden. Ich denke, wir haben gut verteidigt.“

Der Kampf um Platz drei

An einen Sieg gegen den Weltmeister hatte ohnehin niemand geglaubt, dennoch wollte das deutsche Trainerteam gerade die DFB-Auswahl als letzten Gegner vor der EM. „In diesen Spielen können wir so viel lernen“, meinte Storck, dessen Team erstmals seit 44 Jahren wieder bei einer EM dabei ist. Zuletzt war der Vize-Weltmeister von 1954 vor 30 Jahren bei der WM in Mexiko bei einer Endrunde vertreten, damals war in der Vorrunde Endstation. Auch in Frankreich gelten die Ungarn in der Gruppe mit Portugal, Österreich und Island als Außenseiter. „Ich denke, dass wir uns mit Island um den dritten Platz streiten werden“, sagte Möller.

Gegen Deutschland deuteten die Ungarn aber immer wieder an, dass sie auch bei der EM ein unbequemer Gegner sein können. Vor dem bereits 40 Jahre alten, aber immer noch mit starken Reflexen ausgestatteten Gábor Király im Tor stand die Storck-Auswahl über weite Strecken sehr kompakt. Im Spiel nach vorne deutete der Bremer László Kleinheisler an, dass er in die Rolle des Spielgestalters wachsen kann. Im Angriff hatte es Ádám Szalai (Hannover) gegen die deutsche Innenverteidigung zwar schwer, insgesamt hat der Auftritt aber offenbar Mut gemacht. „Ich denke, wir haben es ganz gut gemacht“, meinte Szalai. „Jetzt freuen wir uns riesig auf die EM.“ In der Vergangenheit hätten die Fans in der Heimat die großen Turniere immer in Trikots von anderen Teams wie Deutschland oder England vor dem Fernseher verfolgt. „Jetzt können sie endlich wieder das Ungarn-Trikot tragen“, freute sich der Angreifer.

Auch die stets kritischen ungarischen Medien zollten der Leistung gegen Deutschland Respekt. „Die Gastgeber spielten nicht mit Volldampf, aber die ungarische Mannschaft braucht sich auch nicht zu grämen: Gegen den Weltmeister kann man auswärts ruhig mit zwei Toren verlieren“, schrieb die Tageszeitung „Népszabadság“.

Löw mit „gutem Gefühl“

Lob für den couragierten Auftritt gab es auch von Joachim Löw. „Sie haben die Frechheit zu attackieren“, sagte der DFB-Coach. Seine eigene Auswahl verabschiedete Löw mit einem „guten Gefühl“ in den letzten Kurzurlaub vor der EM. „Wir glauben schon an unsere Stärke. Wenn wir das ausspielen und die Mentalität stimmt, haben wir gute Chancen“, meinte er nach dem letzten Test. „Insgesamt bin ich zufrieden. In manchen Situationen haben wir gespürt, dass die Spritzigkeit und die Dynamik gefehlt hat. Das werden wir nächste Woche aufholen.“

Deutschland geht dank des Eigentores von Adam Lang (39.) und eines Treffers von Thomas Müller (64.) nun mit einer knapp positiven Saisonbilanz in das EM-Turnier. Von neun Länderspielen wurden fünf gewonnen, vier verloren, gegen Ungarn stand erstmals seit fast einem Jahr am Ende wieder die Null. Am Sonntag startet Deutschland die Titeljagd in Lille gegen die Ukraine. (ag./red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2016)

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