Der Torjubel, den Portugal erwartet

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FBL-EUR-C1-REALMADRID-ATLETICO(c) APA/AFP/GIUSEPPE CACACE (GIUSEPPE CACACE)
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Cristiano Ronaldo soll die „Brasilianer Europas“ wieder einmal zum Titel führen. Der Real-Star wirkt fit, motiviert – nur der Schmerz der Finalniederlage 2004 wird bei ihm nie verheilen.

Marcoussis. Er läuft, dribbelt, schießt, er spaltet die Fußballwelt mit seinen Übersteigern, seinem provokant breitbeinigen Stand vor Freistößen. Er steht immer im Mittelpunkt, er gibt die Richtung vor, duldet ausnahmslos keinen anderen Spieler in seinem Rampenlicht. Cristiano Ronaldo startet heute mit dem Spiel gegen Island in seine bereits sechste große Fußball-Endrunde. Seit der Heim-EM 2004 hat der Superstar, 31, kein Turnier verpasst. Titel hat er mit Portugal zwar noch keinen gewonnen, Ronaldo aber hat seine Seleção in der Weltspitze etabliert.

Kaum ein Team ist so abhängig von einem Einzelspieler wie Österreichs zweiter Gruppengegner. Seine Fitness hatte den Portugiesen in den vergangenen Wochen aber noch Sorgen bereitet. Nach 51 Treffern in 48 Pflichtspielen plagten den Real-Star gegen Saisonende muskuläre Probleme. „Ich bin nicht in Bestform“, gestand er kurz vor EM-Start. Beim 7:0 gegen Estland schoss er aber zwei Tore, er jubelte wieder, er lief, strahlte – und mit ihm hofft nun wieder die ganze Nation auf den Durchbruch.

2004, die größte Enttäuschung

In Frankreichs nationalem Rugby-Zentrum in Marcoussis, in dem die Portugiesen trainieren, versucht der Ausnahmekönner, sich in diese zu bringen. Bei der WM vor zwei Jahren in Brasilien hatte sich Ronaldo mit Patellasehnenproblemen herumgeschlagen, sein Team schied in der Gruppenphase aus. Pikant: Auch damals war der Real-Star als frischer Champions-League-Sieger angereist.

„2004 war womöglich die einzigartige Chance, Europameister zu werden“, sagt Ronaldo zwölf Jahre später über einen der bittersten Momente seiner Karriere. „Aber wir müssen nach vorne schauen: Die Zukunft ist positiv. Portugal wird große Dinge gewinnen, wie eine EM oder eine WM.“

Bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine waren die Portugiesen im Halbfinale nach Elfmetern am späteren Champion Spanien gescheitert. Vier Jahre später soll es weitergehen, doch Ronaldo stapelt in weiser Voraussicht tief. Je weniger er verspricht, desto ruhiger bleiben die Medien. „Die Gruppenphase ist das Wichtigste, und dann sehen wir weiter“, betonte er also. 58 Tore hat Portugals Rekordschütze in 126 Länderspielen erzielt. Gegen Island wird er mit Luís Figo gleichziehen. Mehr als 127 Einsätze hat noch kein Portugiese absolviert.

Als Elfjähriger war Ronaldo von Madeira auf das portugiesische Festland übersiedelt, in die Fußball-Akademie von Sporting Lissabon. Dort war er ob seiner Herkunft und seines eigenartigen Dialekts ein Außenseiter. Er verfolgte aber eisern seinen Traum – den, der beste Fußballer der Welt zu werden. 2008 ging er erstmals in Erfüllung. Noch zwei weitere Male (2013 und 2014) ist er bislang Weltfußballer des Jahres geworden.

Warten auf Cristiano junior

Ronaldo spielte für Sir Alex Ferguson, blühte bei Manchester United auf. Die Ausbeute ist gigantisch: Meister 2007, 2008, 2009, FA-Cupsieger 2004, Ligacupsieger: 2006, 2009, Supercupsieger 2007, 2008. Champions League 2008. Als Real Madrid 2009 die Rekordablöse von 94 Millionen Euro überwies, hatte der Star in Wahrheit sein Ziel erreicht. Die Königlichen, er als schillernde Figur des Weißen Balletts, freilich erfolgreich: Meister 2012, Cupsieger 2011, 2014, Supercupsieger 2012 und gleich zwei Champions-League-Triumphe (2014, 2016). Sein Vertrag in Madrid läuft nur noch zwei Jahre, es nährt Spekulationen sonder Zahl. Der Alleinerzieher eines Sohnes will bleiben, wenngleich zu seinen Konditionen. Er sagt: „Es wäre eine kluge Entscheidung von Real, mir einen neuen Vertrag anzubieten.“

Laut „Forbes“ ist der Portugiese der bestbezahlte Sportler der Welt. Neben einem Jahresgehalt, das inklusive Prämien auf 50 Millionen Euro geschätzt wird, soll „CR7“ noch 28 Millionen Euro aus Werbeverträgen lukrieren.

Er mag eitel wirken, ist aber ein Familienmensch. Ein besonders inniges Verhältnis pflegt Ronaldo zu seiner Mutter Dolores Aveiro. Von einer Frau, deren Identität bis heute nicht bekannt ist, hat er einen fünfjährigen Sohn. Am Samstag, dem Tag des EM-Spiels gegen Österreich, wird Cristiano junior sechs Jahre alt. Irgendwann soll er selbst Fußballer werden und in die Fußstapfen des Papas treten.

Portugal: 1 Patricio; 11 Vieirinha, 3 Pepe, 6 Carvalho, 5 Guerreiro; 13 Pereira; 15 Gomes, 8 Moutinho, 10 Mario; 20 Quaresma, 7 Ronaldo.

Island: 1 Halldórsson; 2 Sæevarsson, 14 Árnason, 6 R. Sigurđsson, 23 Skúlason, 7 Guđmundsson, 17 Gunnarsson, 10 G. Sigurđsson, 18 Bjarnason, 9 Sigthórsson, 15 Böđvarsson. Schiedsrichter: Çakir (Türkei).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2016)

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