Der „Treinador“ und der Fluch vom Prinzenpark

Archivbild: Hermann Stessl
Archivbild: Hermann Stessl(c) GEPA
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Trainerlegende Hermann Stessl fand in Portugal eine zweite Heimat. Über seine Zeit beim FC Porto, die Stärken von Österreichs Gegner und die Finalniederlage mit der Austria 1978.

Wien. Wenn die Temperaturen purzeln und Hochnebel sich über das Wiener Umland legt, dann zieht es ihn jedes Jahr an die Algarve. Meist fährt er auch in den Landesnorden, zum FC Porto, wo sie ihren alten „Treinador“ nicht vergessen haben. Hermann Stessl, gewählter Jahrhunderttrainer der Wiener Austria, nimmt dann Platz in der Ehrenloge von Jorge Nuno Pinto da Costa, FC-Porto-Präsident seit 1982. Im Jahr zuvor, 1981, wurde Stessl mit dem Klub Vizemeister.

„Meine zweite Heimat“, nennt der 75-Jährige Portugal. Schwächen sieht er bei Österreichs heutigem EM-Gruppengegner keine: Die Abwehr wird von Routiniers gefestigt, Ronaldo ist Ronaldo und dass den Portugiesen ein Vollblutstürmer fehlt, macht sie nicht weniger gefährlich. Stessl: „Sie sind extrem stark über die Flügel“, das offensive Mittelfeld rückt dann eben bei Angriffen in die Spitze nach. Im Mittelfeld führt João Moutinho vom AS Monaco Regie („Er bestimmt den Rhythmus im Spiel“). Julian Baumgartlinger gegen Moutinho: „Das wird das Schlüsselduell“, sagt Stessl, der auch mit Edeltechniker Quaresma in der Startelf rechnet.

Dass sich ein Teil der Seleção aus Portugals Liga rekrutiert, zeuge ebenso nicht von Schwäche: „Der Portugiese geht nicht gern von seiner Heimat weg, da muss schon ein Großer anklopfen“ – wie der FC Bayern, der den 18-jährigen Sanches („unglaublicher Kicker“) verpflichtet hat.

Österreich müsse heute den Portugiesen „die Lust am Spielen nehmen“, so wie die Ungarn dem ÖFB-Team „die Schneid abgekauft haben“, sagt Stessl. Sonst wird das nichts im Prinzenpark-Stadion.

Ausgerechnet dort, im Prinzenpark, hatte die Austria 1978 mit Trainer Stessl als erster österreichischer Klub ein Europacup-Finale bestritten – und verloren, 0:4 gegen Anderlecht. Österreich unterlag ebendort 1992 in der WM-Quali mit 0:2. Bilanz österreichischer Teams im Parc de Princes: vier Spiele, vier Niederlagen. Ist es ein Fluch?

.„Das musst du erst verkraften“

Stessl sieht übrigens eine zarte Parallele zwischen 1978 und Österreichs EM-Fehlstart: „Vor dem Finale lag plötzlich die Aufmerksamkeit auf der Austria. Wir wurden verherrlicht. Das musst du als Team erst verkraften.“ Heuer wähnten viele Landsleute Österreich bereits als Europameister, so Stessl.

1982 wäre Stessl um ein Haar selbst ÖFB-Teamchef geworden. Die Landesverbände hatten ihr Plazet gegeben. Dann kam der Anruf, man habe gehört, er zahle keine Alimente. Das geht nicht. Dabei steckte der heute bei Wien lebende Steirer noch mitten im Scheidungsverfahren. Intrigen gab es aber auch schon in den Achtzigern.

Im selben Jahr verhinderte auch die „Schande von Gijon“ ein Engagement Stessls beim FC Sevilla. Im WM-Land war man über den deutsch-österreichischen Nichtangriffspakt „zu verärgert“.

Stessl blieb in Portugal, wechselte vom FC Porto (1980–82) zum Stadtrivalen Boavista (82/83), dann zu Vitória Guimarães (83/84). Er sah die jungen Straßenkicker, die Rohdiamanten, die damals in Portugal mit elf, zwölf Jahren die Vereine wechselten. In Österreich ärgerte sich Stessl über Jugendtrainer, die sich über Siege selbst profilieren wollten, mitunter Sechsjährige anschrien, in der Abwehr „den Ball nach vorn zu schießen“. Stessl: „Das Dribbeln, das Eins-gegen-Eins lernst du nur als Kind.“

Als Tipp für heute ringt sich Stessl ein 1:1 ab. Auch wenn er auf einen Sieg hofft – „aber keinen zu hohen. Sonst sind meine Freunde in Portugal verärgert.“

ZUR PERSON

Hermann Stessl spielte 18 Jahre für den GAK. Als Trainer wurde er u. a. mit der Austria viermal Meister (1978, 1979, 1986, 1993), mit Porto Vizemeister ('81). Größter Erfolg war der Einzug ins Finale der Cup der Cupsieger ('78) und ins Halbfinale des Champions-League-Vorläufers ('79.) [ Privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2016)

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