Mehr als nur eine Schleife: Dein Kapitän, der Anführer

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In der Rolle des Kapitäns blühen Spieler auf. Egal, ob Torhüter, Verteidiger wie Christian Fuchs oder Stars wie Cristiano Ronaldo- sie stehen im Dienst ihrer Teams.

Gianluigi Buffon sprintete nach dem 2:0-Sieg der Italiener zum EM-Auftakt gegen Belgien über den gesamten Platz und herzte unterwegs jeden seiner Mitspieler. Er applaudierte, motivierte, trieb an; während des Spiels wollte der 38 Jahre alte Torhüter der italienischen Fußball-Nationalmannschaft bei jeder Schiedsrichter-Entscheidung gegen seine Mannschaft am liebsten sofort zum Referee stürmen und protestieren. So laut, impulsiv und dennoch diplomatisch, wie man es sich eben von einem Capitano erwartet.

Buffon ist ein echter Anführer und ein Vorbild, hat Erfahrung und Charisma. „Gigi ist ein Champion, ein Vorbild. Er ist immer gut gelaunt, so einen Mitspieler braucht man“, lobte Ciro Immobile. Der Torhüter, auch bei Juventus ein Meinungsführer, vereint alle essenziellen Eigenschaften eines Kapitäns. Er lässt sich nicht unterkriegen, er hilft jedem seiner Mitspieler.


Ein Leitwolf! Auch die übrigen 23 Mannschaftskapitäne bei der EM sind erfahrene Anführer respektive Leitwölfe, zumeist auch der Star ihres Teams. Österreich setzt auf die Contenance von Verteidiger Christian Fuchs. Portugals Team hingegen wird von Stürmerstar Cristiano Ronaldo angeführt. Das ist kein Nachteil, denn kaum ein anderes Team ist so von einem Spieler abhängig wie die Portugiesen. Das Interesse an ihm drängt alle anderen ins Abseits. Doch im Team ist Ronaldo nicht der egozentrische Superstar, wie Verteidiger Cédric Soares betont: „Er ist jeden Tag ein fantastisches Vorbild. Er gibt jedem Ratschläge und kümmert sich immer um das Team.“

Ähnlich ist die Situation bei den Schweden, dort herrscht Superstar Zlatan Ibrahimović, der die Binde trägt. „Er ist unser bester Spieler, unser Kapitän, unser Anführer“, sagt der Hamburger Albin Ekdal. Der 34-jährige Stürmer – er wechselt wohl zu Manchester United – wird allseits respektiert, sein Wort zählt.

Nicht immer ist der beste Spieler auch der Kapitän – so wird etwa Wales' Team von Ashley Williams angeführt und nicht vom 100-Millionen-Euro-Mann Gareth Bale. Bei Polen hingegen trägt zwar Stürmer Robert Lewandowski die Kapitänsbinde, der Angreifer stellt sich jedoch auch in den Dienst der Mannschaft. Der 27-Jährige vom FC Bayern ist sowohl Führungsfigur als auch Teamplayer. „Polen ist von mir allein nicht abhängig“, sagt der Weltklassestürmer.


Hohes Standing. Andere Kapitäne wiederum helfen dem Team vor allem durch ihre Anwesenheit und durch ihre Führungsqualitäten. Deutschlands Kapitän Bastian Schweinsteiger – bei dieser EM abgelöst von Manuel Neuer – etwa ist nach seiner Verletzung fast noch ohne Spielpraxis, doch für Teamchef Joachim Löw ist er weiterhin unverzichtbar: „Er hat die größte Erfahrung, er hat, was seine Persönlichkeit betrifft, ein hohes Standing in der Mannschaft bei allen.“

Spaniens Spielführer Iker Casillas hingegen sitzt nur auf der Bank, obwohl er fit ist. Die Binde trägt nun Abwehrspieler Sergio Ramos. Der extrovertierte und auffällig tätowierte Innenverteidiger von Real Madrid gilt längst als Führungsfigur. Erfahrung und Persönlichkeit sind generell wichtige Kriterien für die Wahl des Teamkapitäns. In 17 der 24 EM-Teams ist der Spielführer 30 Jahre oder älter.

Der jüngste Kapitän ist Eden Hazard, 25. Der Belgier übernahm die Binde nach dem verletzungsbedingten Aus des fünf Jahre älteren Vincent Kompany. „Es ist etwas, wofür ich sehr dankbar bin“, sagt der Offensivspieler. „Auf dem Platz versuche ich, der Boss, ein Beispiel für meine Kollegen zu sein.“ Ein Vorbild ist gewiss auch Englands Wayne Rooney, der zum ersten Mal als Kapitän in ein Turnier geht.


Relax Baby. „Das Team in das Turnier zu führen, ist eine große Ehre, ein großer Moment für mich. Ich muss ein gutes Beispiel für andere sein“, sagte der Offensivspieler von Manchester United, treibende Kraft beim 2:1 gegen Wales. „Er ist ein großartiger Kapitän“, sagt Jack Wilshere. „Ich erinnere mich, dass er mir vor meinem Debüt gesagt hat, dass ich es genießen, relaxen soll.“

Albaniens Kapitän Lorik Cana hingegen wurde am ersten EM-Spieltag gleich zur tragischen Figur. Der 32-Jährige sah im Auftaktspiel gegen die Schweiz nach 36 Minuten die Gelb-Rote Karte. Kritik gab es dafür aber nicht. „Wir sind nicht hier, um uns gegenseitig Vorwürfe zu machen“, sagte dazu der Kölner Mergim Mavraj. „Er hat in seiner Karriere schon viel erlebt. Das wirft ihn nicht um. Das ist kein Problem für ihn.“

Spielführer

Christian Fuchs wurde von Teamchef Marcel Koller im August 2012 zum Kapitän des österreichischen Nationalteams ernannt. Zuvor hatte Marc Janko die Armbinde getragen.

Ältester Kapitän bei der EM-Endrunde ist Italiens Torhüter Gianluigi Buffon mit 38 Jahren. Jüngster Spielführer ist Eden Hazard bei Belgien. Der 25-Jährige vertritt den verletzten Stammkapitän Vincent Kompany.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2016)

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