Koller: "Nur eine Halbzeit in drei Spielen ist zu wenig"

Marcel Koller bei der abschließenden Pressekonferenz.
Marcel Koller bei der abschließenden Pressekonferenz.(c) Gepa
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Als Trainer sei er abhängig von den Spielern, stellte ÖFB-Teamchef Marcel Koller bei der abschließenden Pressekonferenz klar. Er deutete Spannungen im Team an.

Österreichs Fußball-Teamchef Marcel Koller hat am Donnerstag ein letztes Mal auf dem Podium des Pressezentrums in Mallemort Platz genommen. Nach der 1:2-Niederlage gegen Island galt es, eine Bilanz der aus ÖFB-Sicht enttäuschend verlaufenen EM zu ziehen. Dabei führte der Schweizer Gründe an, die schon nach der Auftakt-Niederlage gegen Ungarn zu hören waren.

Koller nannte etwa mangelnde Fitness und Form, Nervosität und überzogene Erwartungshaltung. "Das sind Kleinigkeiten, die man bei einem Turnier nicht beheben kann, weil die Zeit zu kurz ist", erklärte der 55-Jährige.

Seine Mannschaft zeigte bei der EM erst in den letzten 45 Minuten gegen Island, wozu sie eigentlich fähig ist - und das wohl deshalb, weil man mit dem Rücken zur Wand stand. "Als es in der zweiten Hälfte hieß, wir haben nichts mehr zu verlieren, haben wir so gespielt, wie wir es können", sagte Koller.

Spannungen innerhalb des Teams

Die Steigerung kam aber zu spät, um doch noch den Sieg und damit den Einzug ins Achtelfinale am Montag in Nizza gegen England zu schaffen. "Wenn man drei Spiele hat und nur in der letzten Halbzeit so spielt, wie man es kann, dann reicht es einfach nicht, um weiterzukommen", analysierte Koller.

Die Enttäuschung des Teamchefs war spürbar. "Ich bin grundsätzlich auch nicht zufrieden. Meine Erwartungshaltung war auch nicht, als Gruppenletzter auszuscheiden." Die Frage, ob er selbst in den vergangenen Wochen Fehler begangen habe, ließ Koller offen. "Man muss Entscheidungen fällen. Dass dann auch einmal vielleicht solche dabei sind, die nicht gut sind oder die man anders machen würde, ist auch ganz normal."

Allerdings stellte Koller auch klar: "Ich bin Trainer, ich bin abhängig von den Spielern und ich werde weiterhin mit ihnen zusammenarbeiten." Von seinen Schützlingen forderte der Schweizer Selbstreflexion ein und deutete in diesem Zusammenhang Differenzen innerhalb des Teams an. "Dass es Spannungen gibt, ist völlig normal, wenn man vier oder fünf Wochen beisammen ist. Da ist es wichtig, bei sich selbst zu beginnen und nicht mit dem Finger auf andere zu zeigen", betonte der Coach.

"Ein System hat noch nie ein Spiel verloren"

Außerdem wehrte sich Koller dagegen, die Umstellung auf eine Dreierkette in der ersten Hälfte des Island-Spiels als Grund für die Niederlage zu sehen. "Ein System hat noch nie ein Spiel gewonnen oder verloren. Die Spieler füllen ein System aus."

Keinen Platz in dem ungewohnten System hatte zunächst Alessandro Schöpf, obwohl sich der Tiroler als einer der wenigen Teamspieler aktuell in Topform befindet. Er hätte ihm auch einen Einsatz von Beginn an zugetraut, wollte aber mehr Stabilität im Zentrum haben, sagte Koller zu dieser Personalie.

Weiters erzählte der Nationaltrainer, dass eine Dreierkette gegen Island für ihn schon seit Wochen ein Thema gewesen sei. "Wir haben es im Training geübt und gesehen, es könnte gehen." Dass es dann aber doch nicht ging, hatte laut Koller nichts mit der ungewohnten Variante zu tun. "Es lag nicht am System. Das Tor haben wir nach einem Einwurf bekommen, der Lattenschuss davor war ein Kracher aus 30 Metern."

ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner meinte zum Thema Systemumstellung: "Ich sehe die Diskussion als müßig." Man habe mit dieser Spielanlage "irrsinnig viel Power" gehabt, ergänzte der Oberösterreicher.

Wichtige Erfahrungen für die Zukunft gesammelt

Auf den Platz gebracht wurde sie jedoch nicht - möglicherweise auch deswegen, weil man vom relativ frühen Gegentor geschockt war. Koller war über den Treffer noch am Donnerstag verärgert. Zehn isländische Einwürfe habe er seiner Truppe in der Vorbereitung gezeigt. "Die Spieler waren informiert, dass das wie ein Freistoß ist. Da können wir uns nicht davonschleichen. Aber vielleicht ist Nervosität dazugekommen, und dass wir nicht mehr diese Spannung hatten."

Trotz der Enttäuschung nahm Koller auch einen positiven Aspekt aus Frankreich mit - seine Spieler hätten für ihre weitere Karrieren wichtige Erfahrungen gesammelt. Das könnte schon am 5. September von Vorteil sein, wenn in Tiflis gegen Georgien die WM-Qualifikation beginnt.

Große Umbrüche im Kader darf man sich bis dahin wohl nicht erwarten. "Ich glaube nicht, dass Österreich 40 oder 50 Spieler hat, die auf diesem Level spielen können. Es wird wichtig sein zu schauen, wer das Potenzial hat", erklärte Koller. Außerdem wisse er noch nicht, ob eventuell ein arrivierter Kicker seinen Team-Rücktritt erklärt.

(Von Alois Tschida/APA aus Mallemort)

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