Viertelfinale: Die beiden Spielführer des Minimalismus

 Ob sein Vater Europameister wird? Lucas Nani, der Sohn des Portugal-Stars, scheint nicht vollends überzeugt.
Ob sein Vater Europameister wird? Lucas Nani, der Sohn des Portugal-Stars, scheint nicht vollends überzeugt.(c) APA/AFP/KENZO TRIBOUILLARD (KENZO TRIBOUILLARD)
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Portugal und Polen eröffnen die Runde der letzten acht. Beide Teams haben bisher kaum geglänzt, vor allem der polnische Angriff um Robert Lewandowski hat enttäuscht und steht im Schatten der herausragenden Hintermannschaft.

Marseille/Wien. Nach regulärer Spielzeit sind die Portugiesen immer noch sieglos bei dieser EM. Durch die Vorrunde haben sie sich gezittert, dabei als Gruppendritter vom neuen Modus profitiert. Gegen Kroatien sorgten sie für einen spielerischen Tiefpunkt des bisherigen Turniers, ihr erster Torschuss in der Verlängerung fixierte letztlich einen knappen 1:0-Sieg. Dennoch eröffnen Cristiano Ronaldo und Co. heute gegen Polen in Marseille das Viertelfinale.

Auch die Polen gehen mit 3:1-Toren und insgesamt nur 46 Prozent Ballbesitz getrost als Minimalisten durch. Das liegt vor allem an der bisher enttäuschenden Offensive, die polnische Hintermannschaft agierte hingegen hervorragend. 351 Minuten hat es bei dieser EM gedauert, bis erst im Achtelfinale dem Schweizer Xherdan Shaqiri der erste Treffer gegen Polen gelang. Um die Torsperre zu durchbrechen reichte aber nicht irgendein Torschuss, Shaqiris Treffer war wohl das Tor dieser EM.

Ungeliebter Ersatztorjäger

Polens Erfolgsgarant ist derzeit die Innenverteidigung mit Kamil Glik (28, FC Turin) und Michal Pazdan (28, Legia Warschau), keine Spielminute haben die beiden in Frankreich verpasst. Glik ist ohnehin seit Jahren in der Serie A erprobt, vor allem in Luftduellen ist er eine Bank. Gegen die Schweiz verwandelte er sogar im Elfmeterschießen souverän. Pazdan aber ist eine Überraschung. Er spielte bisher nur in der polnischen Liga, ist erst seit Ende 2015 Stammspieler im Nationalteam. Doch mit Glik hat er 2016 bisher nur drei Gegentore zugelassen, Shaqiris Kunstschuss ist da schon mitgezählt.

Sollte es dennoch brenzlig werden, war bisher Lukasz Fabianski zur Stelle. Der 31-Jährige von Swansea City pariert bei der EM nach Islands Hannes Halldorsson im Schnitt die meisten Schüsse pro Partie. Dabei ist Fabianski nur die Nummer zwei im Tor, Wojciech Szczesny (26, AS Roma) hat sich in der Auftaktpartie gegen Nordirland am Oberschenkel verletzt.

Während die Polen hinten also alles im Griff haben, fällt die Bilanz vorn bisher mager aus. In der EM-Qualifikation erzielte Polen in zehn Spielen 33 Tore, so viele wie kein anderes Team. 13 davon gingen auf das Konto von Robert Lewandowski. Der Bayern-Star und Sturmkollege Arkadiusz Milik (Ajax) trafen bei ihren Klubs in der vergangenen Saison zusammen 66-mal, in Frankreich bei 23 Versuchen nur einmal (Milik gegen Nordirland). Bestes Beispiel für die Kluft zwischen Offensive und Defensive ist die Partie gegen Deutschland, als man hinten kaum etwas zuließ und Lewandowski und Co. vorn den Sieg verschenkten. „Ich bin optimistisch, dass jetzt der Knoten bei ihm platzt“, hofft Teamchef Adam Nawalka auf seinen Topstar.

Bisher musste Jakub Blaszczykowski, neben Grzegorz Krychowiak der beste Mann in Polens Mittelfeld, als Torjäger einspringen. Gegen die Ukraine und die Schweiz besorgte er den jeweils einzigen Treffer der Polen – und stellte Lewandowski in den Schatten. Pikant dabei: Die beiden wohl besten polnischen Fußballer mögen sich nicht. Auch die gemeinsame erfolgreiche Zeit in Dortmund änderte daran nichts. Aber während Blaszczykowski in Florenz eine bescheidene Saison gespielt hat und vor seiner Rückkehr nach Dortmund wieder aufblüht, zeigt Lewandowskis Formkurve am Ende der langen Saison nach unten.

Mit Ronaldo, Nani und Quaresma wartet auch auf die bisher so überzeugende polnische Abwehr ein Härtetest. Nach dem dürftigen 1:0 gegen Kroatien sind die Portugiesen eigentlich ein Offensivfeuerwerk schuldig. Nani aber kündigte an: „Das Wichtigste ist zu gewinnen. Wenn wir einmal darauf verzichten müssen, schön zu spielen, um ein gutes Resultat zu erzielen, werden wir das machen.“

Polen: 22 Fabianski; 20 Piszczek, 15 Glik, 2 Pazdan, 3 Jedrzejczyk; 16 Blaszczykowski, 10 Krychowiak, 5 Maczynski, 11 Grosicki; 7 Milik, 9 Lewandowski.

Portugal: 1 Rui Patricio; 21 Cedric Soares, 3 Pepe, 4 Fonte, 19 Eliseu; 10 Joao Mario, 8 Joao Moutinho, 14 W. Carvalho, 16 R. Sanches; 17 Nani, 7 C. Ronaldo.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2016)

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