Et voilà – Frankreichs Heimspiel

Germany v France - EURO 2016 - Semi Final
Germany v France - EURO 2016 - Semi Final(c) REUTERS (John Sibley)
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Die Équipe Tricolore ist nach dem 2:0 gegen Deutschland nun endgültig Favorit auf den Turniersieg. Portugal wirkt etwas beunruhigt, die Bilanz spricht für Frankreich.

Paris. Rumänien (2:1), Albanien (2:1) und Schweiz (0:0) stellten in der Gruppenphase dieser Fußball-EM für Gastgeber Frankreich kein Hindernis dar. Im Achtelfinale war jedoch ein Kraftakt nötig, um Irland nach Rückstand noch mit 2:1 zu besiegen. Im Viertelfinale wurde Islands EM-Märchen von Pogba, Griezmann und Giroud emotionslos beendet, Frankreich feierte einen 5:2-Triumph. Und nun, nach der Reifeprüfung, dem 2:0 im Halbfinale gegen Weltmeister Deutschland, spielt die Équipe Tricolore am Sonntag im Endspiel gegen Portugal um den dritten Gewinn eines Turniers im eigenen Land. 1984 die EM, 1998 die WM – 2016 soll die Krönung gelingen.

Zahlen sind fixer Bestandteil im Sport, Bilanzen lesen und auch verstehen, darum geht es. Schenkt man der Analyse von Teamchef Didier Deschamps nun Glauben, ist seine Mannschaft überragend. Antoine Griezmann führt die Schützenliste mit sechs Treffern an, mit insgesamt dreizehn Treffern ist sein Team die Tormaschine dieser Endrunde, es sind 2,17 pro Spiel. Griezmann gab bislang 23 Schüsse ab – das ist die Hälfte der Versuche von Cristiano Ronaldo. Frankreich hat die komplette EM über 52 Prozent Ballbesitz, 88 Prozent aller Pässe finden ihr Ziel. Der umjubelten Offensive eröffnet erst eine grandiose Abwehr alle Möglichkeiten – Hugo Lloris (Tottenham) kassierte erst vier Gegentore.

Frankreich gilt gegen Portugal als klarer Favorit, von bislang 24 Duellen wurde 18 gewonnen – und bei der EM wiederholt sich nun die Geschichte. Im Jahr 2000 zog die Grande Nation nach einem 2:1 (nach Verlängerung) gegen Portugal ins Endspiel ein. 1984 setzte sich Frankreich 3:2 – ebenfalls im Halbfinale und nach Verlängerung – gegen die Portugiesen durch. In beiden Fällen führte der Weg zum Turniersieg. Es würde auch von den zeitlichen Abständen geradezu vorgeplant passen: Alle sechzehn Jahre gewinnt Frankreich die EM.

Ein Patzer, erster Sieg seit 1958

Insgesamt steht Frankreich zum fünften Mal im Finale einer EM oder WM. Eine eklatante Torarmut war hingegen das Kardinalproblem des Fußballweltmeisters. Sieben Tore in sechs Spielen sind zu wenig für einen EM-Triumph. Ballbesitz, Pässe, Chancen – all das gab es sonder Zahl, nur die Ausbeute von Götze, Gomez, Müller und Özil blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Ein Missgeschick von Oldie Bastian Schweinsteiger und der erste Turnier-Patzer von Torhüter Manuel Neuer besiegelten das Aus. Und die Bilanz? Viermal standen sich Deutschland und Frankreich zuvor bei Turnieren gegenüber – dreimal ging die DFB-Elf als Sieger vom Platz, zuletzt bei der WM 2014 in Brasilien (0:1). Frankreich wartete seit 1958 auf diesen Sieg.

Geld spielt auf dieser Ebene zwar eine untergeordnete Rolle, Frankreichs Medien werden aber nicht müde, die ausverhandelten Prämien plakativ zu präsentieren. Der Sieg gegen Deutschland sei folglich pro Kopf 40.000 € wert gewesen, für das Erreichen des Endspiels darf sich jeder der 23 Akteure über eine Viertelmillion Euro freuen. Folgt am Sonntag im Stade de France von Saint-Denis der dritte Heimsieg bei einem Turnier, wächst die Zahlung auf 300.000 Euro an.

Für Teamchef Didier Deschamps ist es das dritte Endspiel seiner Karriere. 1998 und 2000 gewann der Verteidiger die WM und EM, jetzt könnte er mit dem Deutschen Berti Vogts (1972; 1996) gleichziehen, der als Spieler und Trainer ebenfalls die EM gewinnen konnte. Bei einer WM schafften das übrigens Franz Beckenbauer (1974; 1990) und Mario Zagallo (1958, 1962; 1970).

Und Portugal, Ronaldo?

Portugal mühte sich durch die Gruppenphase (1:1 Island; 0:0 Österreich; 3:3 Ungarn), behielt im Elferschießen gegen die Schweiz und dann gegen Polen die Überhand. Die Portugiesen schafften nach regulärer Spielzeit im Halbfinale gegen Wales (2:0) den ersten Sieg in diesem Turnier und träumen davon, den ersten Titel überhaupt zu gewinnen. 2004, bei der EM im eigenen Land, mauerte sich Griechenland im Finale (1:0) zum Triumph. Vielleicht schlägt am Sonntag aber Cristiano Ronaldo die große Stunde – schießt er sein Land mit dem EM-Torrekord (bislang neun Tore) zum Titel? (fin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2016)

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