Portugal gewinnt mit klarer Strategie und Ronaldo

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FBL-EURO-2016-MATCH49-POR-WALAPA/AFP/PAUL ELLIS
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Portugal wird erstmals die EM gewinnen, weil Teamchef Fernando Santos seine Idee konsequent verfolgt und das Team mehr als ihr Superstar ist.

Die außergewöhnliche Karriere Cristiano Ronaldos hat sich einen Titel mit der Nationalmannschaft verdient, schon deshalb wird Portugal das heutige Endspiel gegen Frankreich gewinnen. Es sind aber nicht nur die Fähigkeiten des EM-Rekordspielers (20 Einsätze) und -Torschützen (neun Treffer), die für die Seleção sprechen, sondern das Auftreten der gesamten Mannschaft im Turnier. Mit Minimalismus in Reinkultur wurde die Chance auf den ersten EM-Titelgewinn gewahrt, der Einzug ins Finale gibt dem Weg von Fernando Santos recht.

Unbeirrt von Kritik am Fehlen spielerischen Glanzes, Spott für die schwache Chancenverwertung (112 Schüsse für acht Tore) hat Portugal an seiner Idee festgehalten, sich mit drei Remis – darunter das unglaubliche 0:0 gegen Österreich – durch die Gruppenphase gequält, ist mit einem Sieg nach Verlängerung, einem im Elfmeterschießen sowie einem einzigen nach regulärer Spielzeit bis ins Finale gekommen.

Das Spiel der Portugiesen ist nicht immer schön anzuschauen und manchmal wie im Achtelfinale gegen Kroatien als solches gar nicht zu bezeichnen, doch es ist pragmatisch, flexibel und letztlich effektiv. Und das Ergebnis ist das Einzige, was für Santos zählt. Unter ihm blieb Portugal in allen 13 Pflichtspielen ungeschlagen, auch für Frankreich wird er wieder den passenden Matchplan parat haben, an dessen Vorgaben sich alle – auch Ronaldo – bedingungslos halten. Das Risiko auf dem Platz wird minimiert, mit Geduld auf den richtigen Moment gewartet, um die eigenen Stärken auszuspielen. Denn die Mannschaft ist längst mehr als Ronaldo, ist eine kompakte Einheit aus stabiler, routinierter Abwehr, passsicherem und kampfstarkem Mittelfeld sowie einem Sturmduo höchster Güte.

In engen Partien machen außergewöhnliche Spieler den Unterschied, und mit Ronaldo hat Portugal einen der allerbesten. Rechtzeitig für das Finale hat der Weltfußballer zur Form und sich als Stürmer im 4-4-2-System gefunden, bringt seine Vorzüge in Sachen Tempo, Dribbling, Abschluss und Kopfballspiel ein, ohne die Mannschaft in eine taktische Abhängigkeit um seinen Wirkungskreis zu zwingen. Platz für Genieblitze bleibt dennoch ausreichend, und wenn sie nicht der Kapitän hat, stehen mit Nani, Quaresma oder Shootingstar Renato Sanches auch andere parat. Kritiker, Neider und Messi-Fans wollen Ronaldo wie 2004 weinen sehen, diesen Gefallen wird er ihnen erfüllen. Mit dem Unterschied, dass es diesmal Freudentränen sein werden.


Portugal: Rui Patrício; Cedric, Pepe, Fonte, Guerreiro; Sanches, W. Carvalho, Silva, João Mário; Nani, Ronaldo.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2016)

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