Portugal: Durchs Tal der Tränen auf den Thron

Beste Stimmung in der Kabine: Die portugiesischen Spieler traten die Heimreise mit EM-Pokal an.
Beste Stimmung in der Kabine: Die portugiesischen Spieler traten die Heimreise mit EM-Pokal an. (c) APA/AFP/Portuguese Football Fede
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Der neue Europameister wurde in der Heimat gefeiert, Ronaldo schwärmte von „einem der schönsten Momente seiner Karriere“. Teamchef Santos glaubt an eine „leuchtende Zukunft“.

Lissabon/Wien. Nach einer kurzen Nacht erwartete die Europameister aus Portugal in der Heimat ein frenetischer Empfang. Allein am Flughafen in Lissabon hatten sich Montagmittag Zehntausende Menschen eingefunden. Mit rund einer halben Stunde Verspätung traten schließlich Cristiano Ronaldo und Teamchef Fernando Santos als Erste aus dem Flugzeug, in Händen den silbernen EM-Pokal. Anschließend ging es im offenen Bus durch ein Menschen- und Fahnenmeer zum Belém-Palast, wo Präsident Marcelo Rebelo de Sousa zu einem Empfang lud und der Mannschaft einen nationalen Verdienstorden verlieh. „Wir sind die Besten von Europa. Wir haben gezeigt, woraus wir gemacht sind: stark, geeint, fähig, alle Schwierigkeiten zu überwinden“, sagte der Staatschef.

Der erste Triumph bei einer Endrunde für Portugal war auch die Krönung Cristiano Ronaldos. Auf Klubebene hat der 31-Jährige so gut wie alles gewonnen, mit dem ersten Titelgewinn mit der Nationalmannschaft hat der Superstar nun seine Vita vervollständigt.

Gott erhört das Gesuch

„Das ist einer der schönsten Momente meiner Karriere. Ich habe so lange darauf gewartet, seit 2004. Ich habe Gott um eine weitere Chance gebeten, weil ich glaube, dass die Portugiesen das verdienen“, erklärte der EM-Rekordspieler (21 Einsätze) und -Rekordschütze (neun Tore) nach dem 1:0-Sieg nach Verlängerung über Frankreich. Bei der Heim-EM vor zwölf Jahren war er im Finale gegen Griechenland als trauriger Verlierer vom Platz gegangen war, diesmal weinte er aufseiten der Sieger, und es schien, als wollte Ronaldo den Coupe Henri-Delaunay gar nicht mehr loslassen. Immer wieder schüttelte er fassungslos den Kopf ob des Happy End in seinem persönlichen Drama.

Bereits nach sieben Minuten verletzte sich Ronaldo bei einem ungeahndeten Foul von Payet am Knie, er soll eine Innenbandzerrung erlitten haben. Massagen, Bandagen und seinem unbändigen Willen zum Trotz musste er schließlich nach 25 Minuten auf der Bahre liegend den Platz verlassen – die Hände vor das tränenüberströmte Gesicht geschlagen. „Ich hatte Pech. Aber ich wusste, dass diese Spieler zusammen mit unserer Strategie stark genug sein werden, um Frankreich zu schlagen“, beteuerte Ronaldo, der in der Verlängerung an der Seitenlinie mit Santos um die Wette gestikulierte und schrie.

Tatsächlich ließen sich die Portugiesen den Schock nicht anmerken, verloren weder Nerven noch Ordnung auf dem Rasen. „Es war ein wirklich schwieriger Moment, aber Cristiano hat in der Pause die richtigen Worte gefunden“, berichtete Verteidiger Cédric. Die Umstellung auf ein 4-1-4-1-System brachte die nötige Stabilität und Gegenwehr gegen die französische Offensivmacht. Mit der Hereinnahme von Éder bewies Santos zudem ein glückliches Händchen. Der 28-jährige Angreifer war nie über die Reservistenrolle hinausgekommen, aber ausgerechnet im Finale mit seinem ersten Pflichtspieltreffer für Portugal zur Stelle.

Das hässliche Entlein als Held

„Ein Wahnsinn. Ronaldo hat mir gesagt, dass ich das Siegtor schießen würde. Er hat mir die Stärke und diese Energie gegeben“, erklärte Éder, der in der letzten Saison von Lille an Swansea ausgeliehen war, sich aber nicht durchsetzen konnte. „Diesmal hat nicht der Schwan getroffen, sondern das hässliche Entlein“, sagte Santos zu dessen unverhoffter Sternstunde.

Am Höhepunkt seiner Trainerlaufbahn angekommen, entwischte auch dem mürrischen 61-Jährigen ein Lächeln. Er hatte sich trotz Kritik nicht vom ergebnisorientierten Fußball abbringen lassen und feierte – mit nur einem Sieg nach regulärer Spielzeit – nun den Titel. „Fernando Santos war die wichtigste Person bei dieser EM“, lobte Ronaldo.

Der Vertrag des Teamchefs läuft mit Monatsende aus, eine Verlängerung scheint jedoch nur Formsache. Was für Portugal nun bei der WM 2018 möglich ist? Santos: „Wir haben eine leuchtende Zukunft vor uns. Wenn wir weiter so bescheiden auftreten, können wir große Dinge erreichen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2016)

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